Recording situation, Smadar Dreyfus 2010, Photo courtesy of the artist
Smadar Dreyfus, School (2009-11), multi channel audio visual installation, duration 7 x 26'30", Image © Smadar Dreyfus

29.5.–14.7.2014

School

Audiovisuelle Installation von Smadar Dreyfus im Rahmen von Berlin Documentary Forum 3

Installation

29.5.–14.7.2014

School ist eine großformatige audiovisuelle Installation, die es den Besuchern möglich macht, in das Leben an Sekundarschulen in Tel Aviv einzutauchen.

Jeder der Räume dieser Installation beherbergt eine Audioaufnahme eines jeweils anderen Unterrichtsgegenstandes – Arabisch, das Bibelstudium, Biologie, Staatsbürgerkunde, Geografie, Geschichte und Literatur. Alle Räume sind durch einen zentral gelegenen Gang miteinander verbunden. Die aufgezeichneten hebräischen Stimmen werden als projizierte englische Texte visualisiert, die dem Rhythmus der gesprochenen Rede folgen. Smadar Dreyfus hat diese Aufnahmen in einem Zeitraum von zwei Jahren produziert und dafür einige säkular-staatliche Sekundarschulen besucht, die noch immer die gleiche Art von Bildung vermitteln, welche die Künstlerin in ihrer Zeit in Israel erfuhr. Sie zeichnete die Interaktion von Schülern und Lehrern in achtundsechzig zufällig ausgewählten Unterrichtseinheiten auf und stellte dann sieben für die endgültige Präsentation fertig.

Die Stimmen in School gehören dem an, was der experimentelle Komponist und Theoretiker Michel Chion das Akusmatische (acousmêtre) nennt. Es sind Stimmen, die man hört, doch die Körper ihrer Sprecher bleiben unsichtbar. Das verleiht ihnen den paradoxalen Status, dem Zuseher zugleich nah und fern zu sein. Sie scheinen nah, da die Stimme klingt, als befände sich die Person im Raum; und sie scheinen fern, da der Besucher die Stimme keinem Gesicht zuordnen kann. Ein solches Spiel von akusmatischen Stimmen zeichnet School als eine Weiterführung von früheren Arbeiten der Künstlerin, Lifeguards (2002-2005) und Mother’s Day (2006-2008), aus. Diese beiden Arbeiten bringen dieselbe Technik der Übersetzung von Stimmen, die in öffentlichen Räumen aufgezeichnet wurden, in Textprojektionen zum Einsatz. Doch während sich hier die räumlichen Soundaufzeichnungen mit den stummen Bildaufnahmen, die am selben Ort aufgenommen wurden, abwechseln und auf diesem Wege das Band aufgelöst wird, das für gewöhnlich Bild und Ton verbindet, geht Dreyfus mit School weiter, indem sie nun das Bild völlig verschwinden lässt. Genau diese Verweigerung des Bildes ist es, die es dem Zuhörer-Zuseher ermöglicht, einen anderen Raum und eine andere Zeit zu betreten.

In der Dunkelheit der Installation stößt der Besucher auf unscheinbare alltägliche Augenblicke, die auf breitere Themenfelder und Fragen wie Nationalität und Zugehörigkeit anspielen. Smadar Dreyfus vermittelt so einen Eindruck von Schule als sozialen Raum für intersubjektive und dialogische Zusammentreffen, in welchem Schüler, die alles andere als passiv sind, mit klar erkennbaren pädagogischen Techniken konfrontiert werden. Nichtsdestotrotz erscheint die Schule während dieser Unterrichtseinheiten als zentraler Ort der Disziplinarmacht, an dem individuelle Subjekte als Bürger angerufen werden. In seinem Essay mit dem Titel Ideologie und ideologische Staatsapparate aus dem Jahre 1970 identifiziert Louis Althusser die Bildungseinrichtung als eine entscheidende Institution für die Reproduktion der Ideologie. Er schreibt: „[D]ie Schule ... lehrt »Fähigkeiten«, aber in Formen, die die Unterwerfung unter die herrschende Ideologie oder die Beherrschung ihrer »Praxis« sichern.“ Smadar Dreyfus‘ Installation stimmt mit dieser Hypothese Althussers überein, doch sie weist auch auf das Maß hin, in welchem die Unterwerfung unter die herrschende Ideologie niemals vollständig ist, sondern vielmehr herausgefordert wird und fragmentarisch bleibt. Wir stoßen in School auf ein junges Erwachsenenleben, das sich als unfertiger Moment der Offenheit zeigt.

Smadar Dreyfus (geb. 1963) ist eine israelische Künstlerin. Sie lebt in London.

Kuratorin: Hila Peleg

School (2009–11) wurde von der Creative Foundation für die Folkestone Triennial 2011 beauftragt, mit großzügiger Unterstützung des Outset Contemporary Art Fund und des Arts Council England. Die Berliner Ausgabe wird gefördert durch den Hauptstadtkulturfonds.