Ein Sturm wehte vom Paradiese her

Johannes Anyuru | Paul Berf

Johannes Anyuru: Ein Sturm wehte vom Paradiese her
Aus dem Schwedischen von Paul BerfEn storm kommer från paradiset
Luchterhand Literaturverlag 2015Norstedts, Stockholm 2012

„Johannes Anyurus Vater-Roman Ein Sturm wehte vom Paradiese her bedient nicht das konventionelle Sohn-Muster und spielt nicht selbstverliebt mit den altbekannten Topoi des Vagen, Ungewissen und der Schwierigkeit von Annäherung. Gerade deshalb ist sein Debütroman von einer kunstvollen Strenge, deren Sog man sich kaum entziehen kann: Ein ugandischer Flüchtling wird zum unfreiwilligen Wanderer zwischen den Welten und was in unserer Optik ‚exotisch‘ erscheinen mag, stellt sich plötzlich als Extremform der condition humaine heraus: Von der menschengemachten Hölle im Uganda Idi Amins ins zweifelhafte, kühle Paradies Schwedens, wo Gelassenheit häufig als Indifferenz buchstabiert wird. Johannes Anyuru aber hat kein anklagendes Pamphlet geschrieben, sondern eine individuelle Biographie sichtbar und unvergesslich gemacht. Was vermag Literatur mehr? Der übersetzerischen Herausforderung – dem steten Wechsel der Perspektiven und Zeiten – ist Paul Berf mit Texttreue und stilistischer Eleganz begegnet.“
(Jurykommentar zur Shortlist-Nominierung 2016)

Ein Sturm wehte vom Paradiese her

Der Protagonist, P. genannt, reist von Europa nach Sambia, um als Pilot zu arbeiten. Noch am Flughafen wird er wegen Spionageverdachts verhaftet. P. hatte im Auftrag der ugandischen Regierung in Griechenland eine Ausbildung zum Kampfpiloten begonnen, aber nach der Machtergreifung Idi Amins sich gegen die Rückkehr nach Uganda entschieden. Eher durch Zufall gerät P. zwischen die Fronten, in endlose Verhöre und von einem Lager ins nächste. Dem heimatlos Gewordenen gelingt es irgendwann, in Schweden Fuß zu fassen, doch dem sicheren Umfeld von Familie und Nationalität bleibt er entfremdet. Seine zerrüttete Geschichte, die mit der Denkfigur von Benjamins Engel der Geschichte nachgezeichnet wird, versucht sich P.s Sohn an seinem Totenbett vorzustellen und nähert sich der Tragik und Ausweglosigkeit eines Menschenlebens, das exemplarisch für das Leben vieler Getriebener und Vertriebener im 20. Jahrhundert steht.

Johannes Anyuru, © Thron Ullberg

Der Autor

Johannes Anyuru, geboren 1979, gilt als einer der wichtigsten jüngeren Lyrik- und Prosaautoren Schwedens. Er debütierte 2003 mit einer viel beachteten Gedichtsammlung (Det är bara gudarna som är nya (nicht übersetzt, wörtlich Nur die Götter sind neu). Mit Omega (2005) und Städerna inuti Hall (2009) folgten zwei weitere Gedichtsammlungen und mit Skulle jag dö under andra himlar (wörtlich Sollte ich unter anderen Himmeln sterben) erschien 2010 sein erster Roman. In schwedischen Tageszeitungen äußert sich Anyuru mit seinen Gedichten immer wieder zu aktuellen politischen Themen wie Rassismus, Integration und Flüchtlingspolitik. Anyuru experimentiert als Mitglied des Rap-Duos Broken Word auch mit mündlichen Formen von Dichtung und veröffentlichte 2009 zudem sein erstes Theaterstück Förvaret. Die autobiographisch geprägte Annäherung an das Schicksal seines Vaters Ein Sturm wehte vom Paradiese her ist sein zweiter Roman und seine erste Übersetzung ins Deutsche. Anyurus Werk, das in sieben Sprachen übersetzt ist, wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, zuletzt erhielt er Ivar Lo-Johanssons persönlichen Preis sowie den Winterpreis der Vereinigung De Nio.

Zuletzt auf Schwedisch erschienen:

  • En civilisation utan båtar; Glänta Production, Göteborg 2011
  • Skulle jag dö under andra himlar; Norstedts, Stockholm 2010
  • Städerna inuti Hall; Norstedts, Stockholm 2009

Paul Berf, © privat

Der Übersetzer

Paul Berf, geboren 1963 in Frechen bei Köln, studierte nach einer Ausbildung zum Buchhändler Skandinavistik, Germanistik und Anglistik sowie Literaturwissenschaft an den Universitäten Köln und Uppsala. Nach seiner Tätigkeit als Verlagslektor lebt und arbeitet er seit 1999 als freier Übersetzer schwedischer, finnlandschwedischer und norwegischer Literatur in Köln. Zu den von ihm übersetzten Autoren gehören u.a. Aris Fioretos, Tua Forsström, Selma Lagerlöf, Karl Ove Knausgård, John Ajvide Lindqvist, Fredrik Sjöberg, Kjell Westö und Carl-Henning Wijkmark. 2005 wurde er mit dem Übersetzerpreis der Schwedischen Akademie ausgezeichnet.

Zuletzt erschienen:

  • Karl Ove Knausgård: Träumen; Luchterhand 2015 (Min Kamp V; Forlaget Oktober, Oslo 2010)
  • Kjell Westö: Das Trugbild; btb 2014 (Hägring 38; Albert Bonniers Förlag, Stockholm 2013)
  • Håkan Nesser: Die Lebenden und Toten von Winsford; btb 2014 (Levande och döda i Winsford; Albert Bonniers Förlag, Stockholm 2013)
  • Lars Kepler: Der Sandmann; Bastei Lübbe 2014 (Sandmannen; Albert Bonniers Förlag, Stockholm 2009)