Die Performances von Sergio Zevallos sind Aufbrüche in Situationen ohne klares Ziel. Sie laden dazu ein, in jeglicher Hinsicht Ungehorsam zu üben, die Macht des eigenen Körpers zu bewahren und sich der Stärke eines sozialen Körpers bewusst zu werden. In einem orakelhaften Dispositiv ermuntert Zevallos die Teilnehmenden, sich auf die Dysfunktion der normativen logischen Wissensproduktion einzulassen. Erfordert eine Antwort zwingend eine Frage, um als Antwort zu gelten? Und umgekehrt: Muss auf eine Frage immer eine Antwort folgen, um sie als Frage produktiv zu machen? Ein Orakel produziert Wissen, unabhängig davon, ob es in einer vorhersehbaren Situation von Nutzen ist. Es ist öffentlich und braucht ein Publikum. Es funktioniert und steht im Dienst seiner Nutzer*innen: ein Apparat, der auf die Binarität von Frage und Antwort reduziert ist, aber keine klare Definition bietet, wann und warum eine Aussage das eine oder das andere ist. Die jeweilige Bedeutung verleihen ihr erst die Nutzer*innen im Moment während oder nach der Konsultation.

Zevallos, ein früher Vertreter der queeren Performance-Kunst in Südamerika, der seit Ende der 1980er Jahre in Deutschland lebt, lädt einige wenige Personen ein, dieses Orakel zu bilden. Zwei Grundvoraussetzungen sind dafür nötig: erstens der Akt des Zusammenkommens, da das Orakel ein vielzelliger Organismus ist, der wiederum die einzelnen Nutzer*innen oder Zellen beeinflusst, weniger durch Absicht, sondern durch seine performativen Bedingungen. Und zweitens ein Zustand, der dem Künstler erlaubt, körperliche Erregung, getrübtes Denkvermögen und eine instabile Identität zu vereinen. Vergleichbar mit der DNA wird das vom Orakel produzierte Wissen durch den sinnlichen und sensorischen Austausch mit allen, die sich darauf einlassen wollen, aktiviert und weiterentwickelt.