22.06.2022

Internationaler Literaturpreis 2022 geht an Cristina Morales und Friederike von Criegern

Internationaler Literaturpreis 2022
Preis für übersetzte Gegenwartsliteraturen

Für den Roman Leichte Sprache (Matthes & Seitz, 2022) erhalten die Autorin Cristina Morales und die Übersetzerin Friederike von Criegern den Internationalen Literaturpreis 2022.

Zum vierzehnten Mal wird der Internationale Literaturpreis für Gegenwartsliteraturen in deutscher Erstübersetzung vom Haus der Kulturen der Welt (HKW) und der Stiftung Elementarteilchen verliehen. Mit 20.000 € für Autor*in und 15.000 € für Übersetzer*in würdigt der Preis nicht nur herausragende aktuelle Stimmen der internationalen Erzählliteratur, sondern zeichnet insbesondere die Allianz von Autor*in und Übersetzer*in aus. Für die Nominierung zur Shortlist erhalten alle anderen Autor*innen und Übersetzer*innen jeweils 1000 €.

Aus der Begründung der Jury:

„Leichte Sprache“ ist eine vielstimmige Ich-Erzählung, ein Gerichtsprotokoll, ein Gesprächsprotokoll, ein Roman in Leichter Sprache, ein Fanzine. Ein poröses Ensemble aus Formen und Figuren. Dieser Roman ist kein Inklusionsmärchen, er ist ein Forderungskatalog. Er besteht auf der Benennung von Unterschieden, auf Klarheit, er besteht auf der Notwendigkeit zu hassen, auf Lebendigkeit, Überraschung und Revolte. „Leichte Sprache“ ist eine Liebeserklärung an die Politisierung, aber auch an den Tanz und an das Begehren. Er erzwingt eine Neujustierung von Begrifflichkeiten und Zuschreibungen. Unsere Entscheidung, den Preis diesem Buch zu geben, ist eine Liebeserklärung – an das Buch und seine Protagonistinnen, an die Heftigkeit, mit der sie auf Restriktionen, Demütigungen und Entmündigung reagieren.

„Leichte Sprache“ ist ein Buch aus vielen Stimmen, deren Ton oft rasch umschlägt. Rollenprosa von Figuren, über die wir wissen, dass Sprachgewalt und Eleganz nicht ihr Ziel sind, vielleicht auch nicht ihre Fähigkeit – deren Umgang mit Sprache also von vornherein brüchig ist. Man kann sich für eine Übersetzerin kaum eine größere Herausforderung vorstellen. Es ist preiswürdig, mit welcher Diszipliniertheit Friederike von Criegern sich dieser Aufgabe gestellt hat. Cristina Morales’ Buch ist ein Befreiungsschlag, weil es die Stärke vorführt, die unsere Fragilität hervorbringen kann, die Zähigkeit, die in unserer erfahrenen, erlebten oder auch antizipierten Versehrbarkeit gründet. Es führt uns einen auf befreiende Weise veränderten Blick auf die Welt vor, eine erst durch die Anerkennung eigener Versehrbarkeit zur Möglichkeit gewordenen Radikalität.

Der Jury gehören in diesem Jahr Robin Detje, Heike Geißler, Michael Götting, Dominique Haensell, Verena Lueken, Annika Reich und Elisabeth Ruge an.

Die Preisträgerinnen

Cristina Morales studierte Rechts- und Politikwissenschaften und arbeitet als juristische Dolmetscherin in Barcelona. Sie verfasste mehrere preisgekrönte Romane und Kurzgeschichten und gilt als eine der besten Nachwuchsautor*innen Spaniens. Ihr Roman Lectura fácil (Leichte Sprache) wurde mit dem Premio Herralde de Novela ausgezeichnet, 2019 gewann sie als jüngste Autor*in den Premio Nacional de Narrativa des spanischen Kulturministeriums. Morales ist Tänzerin und Choreografin der zeitgenössischen Tanzkompanie Iniciativa Sexual Femenina.

Friederike von Criegern ist Literaturübersetzerin und freie Dozentin für Literatur und Übersetzen. Sie promovierte über chilenische Lyrik und übersetzt Belletristik, Lyrik und Theater aus dem Spanischen, zuletzt Jorge Comensal, Nona Fernández und Floridor Pérez. Nach Aufenthalten in Peru, Chile und Argentinien lebt sie in Göttingen.

Leichte Sprache

Roman. Matthes & Seitz, 2022
409 Seiten, Hardcover gebunden
Preis: 25,00 €
Spanisch: Lectura fácil
Anagrama, 2018

Leichte Sprache erzählt die Geschichte von vier Frauen, die mit der Diagnose einer geistigen Behinderung in einer betreuten Wohnung im gentrifizierten Barcelona leben. Nati beschreibt ihre Symptomatik als »Schiebetüren-Syndrom«: Unter Druck verändert sich ihr Verhältnis zur Umwelt. Alle vier haben Lernschwierigkeiten. Marga ist Analphabetin und sexuell überaus aktiv, Àngels stottert, Patri hat Logorrhö. In integrativen Tanzgruppen und in der Hausbesetzerszene Barcelonas versuchen die Frauen, sich von der Bevormundung durch staatliche Einrichtungen und Justiz zu befreien und ein selbstbestimmtes Leben zu führen. So scharfsinnig wie wütend demaskiert die Tänzerin Nati die Ideologie der nach den Vorstellungen der »neoliberalen Macho-Faschos« funktionierenden Gesellschaft, ihre Cousine Àngels entdeckt mit »leichter Sprache« ein Instrument der Teilhabe und verfasst ihre Lebensgeschichte auf WhatsApp mit erstaunlicher Poesie. Vielstimmig erzählt Cristina Morales vom Leben dieser Frauen und montiert dabei Gerichtsakten, Protokolle der anarchistischen Okupas und ein Fanzine zu einem großen Roman.

weitere Informationen zum Buch

Preisverleihung

Die Bekanntgabe des Preisträger*innen-Duos erfolgt im Rahmen einer feierlichen Preisverleihung am 22. Juni 2022 ab 19:30 Uhr auf der Dachterrasse des Hauses der Kulturen der Welt.

Den Abend eröffnet eine Leseperformance: Die Schauspieler*innen Zeynep Bozbay, Jonas Grundner-Culemann, Banafshe Hourmazdi, Anne Kulbatzki, Abak Safaei-Rad und Falilou Seck lesen Auszüge aus den sechs Büchern der Shortlist. Anschließend halten Robin Detje und Heike Geißler eine Laudatio auf die Preisträger*innen und überreichen ihnen den Preis. Im gemeinsamen Gespräch mit Autor*in und Übersetzer*in stellt die Jury den Preisträgertitel vor und spricht mit dem Duo über das Werk und seine Übersetzung.

Eintritt frei.

Weitere Informationen zum Preis und der diesjährigen Shortlist: hkw.de/literaturpreis
Pressefotos auf hkw.de/pressefotos
Weitere Fotos auf Anfrage.

Bitte beachten Sie die Sperrfrist vom 22.06.2022, 20:30 Uhr.

Für Rückfragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Gerne vermitteln wir Ihre Interview- und Rezensionsanfragen.

Partner

Der Internationale Literaturpreis wird verliehen vom Haus der Kulturen der Welt mit der Stiftung Elementarteilchen (Hamburg).

Das Haus der Kulturen der Welt wird gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien sowie das Auswärtige Amt.

Informationen zum Besuch

Aktuelle Öffnungszeiten: Täglich außer Di, 12–20h

Aktuelle Informationen für Besucher*innen unter hkw.de/besuch

Das Restaurant Weltwirtschaft ist täglich ab 12h geöffnet. weltwirtschaft.berlin

Pressekontakt

Jan Trautmann
Leitung Presse und PR

Haus der Kulturen der Welt
John-Foster-Dulles-Allee 10
10557 Berlin
T + 49 (0) 30 39787-192

hkw.de