Tafeln 20 bis 34: Die Reise der Bilder durch Zeit und Raum (die Jahre 500 – 1400 nach Christus)

Ein Rundgang in vereinfachter Sprache

Kulturwissenschaftliche Bibliothek Warburg nach Aby Warburgs Instruktionen, Die „Wanderstrassenkarte“ des Kulturaustausches zwischen Norden – Süden, Osten – Westen, 1928, Faksimile, Einzeichnungen: Die Kuratoren

Ab Tafel 20 finden sich viele antike Motive an anderen Orten und in veränderter Form wieder. Wie sind sie dort hingelangt?

Viele Jahrhunderte lang gab es in den antiken Gesellschaften des Mittelmeerraums, zunächst im griechischen Staat, dann im römischen Reich, starke Veränderungen von innen und außen. Spätestens um das Jahr 500 nach Christus herum konnte man beobachten, dass in Europa eine andere Zeit angebrochen war, in Politik, Religion und Gesellschaft. Heute nennt man sie Mittelalter. Das Christentum war die neue vorherrschende Religion und verbot die Anbetung der alten Götter. Die Kirche wurde zur Haupt-Auftraggeberin für Bilder und nahm strengen Einfluss auf das Dargestellte. Aber das Wissen der Antike war damit nicht ausgelöscht.

Aby Warburg zeigt, wie zum Beispiel die antiken Götter und Sternbilder gewissermaßen ins Exil wanderten. Und zwar in die Großstädte des neuen arabischen Reichs. Dieses entstand um 630 nach Christus als neue Großmacht im Nahen Osten. Die Hauptstadt des heutigen Iraks, Bagdad, wurde um 800 nach Christus gegründet und entwickelte sich damals zum Zentrum der Wissenschaften. In Bagdad wurde zum ersten Mal außerhalb von China auf Papier geschrieben. Zu Büchern gebunden, nahm das Papier seine Reise über Nordafrika nach Europa auf. Aby Warburg nennt solche Reisewege die „Wanderstraßen“ der Bilder, und die Bücher bezeichnet er als „Bilderfahrzeuge“.

In diesen Büchern aus Bagdad hatten sich auch die Sagenwelten der Griechen und Römer erhalten, vor allem in den Büchern über Sternkunde. Die Römer hatten den Sternbildern und Planeten die Namen ihrer Götter gegeben – Mars, Saturn, Venus zum Beispiel. Und die arabischen Sternforscher haben diese Namen übernommen.

Wir sehen auf Tafel 20 unten links eine Darstellung vom Sternbild Perseus in einer arabischen Handschrift. Perseus war ein griechischer Held und Halbgott. Im Bild hält er den Kopf der Medusa, eine griechische Sagengestalt, die mit ihrem bösen Blick Menschen zu Stein verwandeln konnte.

Genau wie am Himmel überziehen die Sterne Perseus’ Kleid, das nun in der Mode der islamischen Herrscher glänzt. Haben sich die alten Götter in neue Kleider gehüllt?

Tafel 20, Anonym / Timuridisch, (Samarkand) Perseus mit dem Haupt des Dämonen Gul, ca. 1430 – 1440, Fotos: Wootton / fluid; Courtesy Warburg Institute

So wie Bilderfahrzeuge aus dem Nahen Osten in Richtung Europa gelangten, so wanderten Bilder auch aus Nordeuropa in Richtung Süden.

Die Tafeln 30 bis 34 zeigen viele neue Bilderfahrzeuge aus Flandern, eine Region im heutigen Belgien. Es waren Ölmalereien auf Holz und luxuriöse Wandteppiche, die das alltägliche Leben der Menschen darstellen. Manchmal aber tauchen auch griechische Götter auf, allerdings in der Kleidung der zeitgenössischen Menschen aus dem Norden. Neue Drucktechniken entstanden und halfen dabei, Bücher und Bilder zu vervielfältigen. So gelangten sie auch nach Italien.