Tafeln 1 bis 8: Bilder aus dem alten Griechenland und Rom (die Jahre 500 vor bis 500 nach Christus)

Ein Rundgang in vereinfachter Sprache

In diesem Kapitel sind frühe Kunstwerke, Figuren und Geschichten versammelt, die viel später entstandene Kunstwerke beeinflusst haben.

Die griechische Antike konnte auf anderen Kulturen aufbauen, die bereits vor ihr im Mittelmeerraum einflussreich waren. Die Tafeln 1 bis 3 zeigen Bilder, die über 3.000 Jahre alt sind. Sie handeln vom Ursprung der Sternenkunde, die aus Babylon stammt. Babylon war eine der mächtigsten Städte des Altertums und lag im heutigen Irak. Aby Warburg zeigt, dass der Glaube an Sterne und Planeten aus Vorderasien kam und dann vielleicht über Ägypten und das Mittelmeer nach Griechenland wanderte (auf Seite 14 finden Sie zur Orientierung die Landkarte von Tafel A, in der all diese Orte verzeichnet sind).

Die Bilder auf Tafel 4 kommen aus der Zeit der Antike, also dem so genannten Altertum, etwa 500 Jahre vor bis 500 Jahre nach dem Beginn der westlichen Zeitrechnung. Dabei steht die Geschichte vom antiken Griechenland und dem Römischen Reich im Mittelpunkt. Beide Kulturen haben über viele Jahrhunderte die Gegenden rund um das Mittelmeer politisch und kulturell vereint.

Dies geschah durch Kriege, Eroberungen und Handel. Zahlreiche Dinge, die auch heute noch viele Gesellschaften prägen, verbindet man mit dem antiken Griechenland. Es heißt zum Beispiel, dass Griechenland die Wiege der Demokratie ist, die Demokratie also dort geboren wurde. In Theatern werden heute noch Stücke aufgeführt, die Dichter aus Griechenland geschrieben haben. Sie handeln von Kriegen, Abenteuern, Liebe und Tod.

Dabei spielen die vielen Götter, an die die Griechen glaubten, eine große Rolle. Diese Erzählungen von griechischen Göttern und Sagen bilden eine weitere wichtige Basis für den Bilderatlas von Aby Warburg. Denn nicht nur Erzählungen aus der Antike haben bis heute überlebt, sondern auch Bilder. Viele dargestellte Figuren sind voller Bewegung und Leidenschaft. Sie drücken Wut und Schmerz aus, oder auch große Freude und Lust. Aby Warburg zeigt, wie lebendig die Kunst in der Antike war.

Diese Lebendigkeit war das Besondere an der damaligen Kunst. Das lässt sich am Beispiel der Frauenfigur auf Tafel 6 in der Mitte links gut beobachten:

Tafel 6, Fotos: Wootton / fluid; Courtesy Warburg Institute

Die Frau scheint zu tanzen. Ihr Gewand flattert in der Bewegung. Bei genauem Hinsehen ist zu erkennen, dass sie ein Schwert und ein Tier in den Händen hält. Diese Figur gehört zu einer Gruppe von antiken Sagenfiguren, die Mänaden genannt werden (vom griechischen Wort maníā = Raserei, Wahnsinn). Die Mänaden waren die Begleiterinnen von Dionysos, dem Gott von Wein und Rausch. Sie verkörpern wildes Feiern, das auch in Gewalt umschlagen kann.

Ähnlich aussehende Frauen tauchen oft im Bilderatlas auf. Sie laufen mit wehenden Gewändern ins Bild, können aber ganz unterschiedliche Bedeutungen haben. Warburg erkannte in ihnen eine Pathosformel, die er unter dem Begriff „Nymphe“ zusammenfasste. Um diese Pathosformel wird es später noch einmal gehen.

Tafel 4, Cherubino Alberti, Allegorie des Nils, 1576, Fotos: Wootton / fluid; Courtesy Warburg Institute

Aby Warburg verband in in seinem Atlas aber nicht nur Ähnlichkeiten, sondern auch Gegensätze miteinander: Auf Tafel 4 gibt es mehrere Darstellungen von kämpfenden Figuren in wilder Bewegung. Man sieht aber auch zwei ruhig liegende Figuren, ganz oben auf der Tafel. Eine davon ist ein Flussgott. Er hat einen massigen Körper, der schwer auf dem Boden ruht. Er sieht nachdenklich und schwermütig aus. Seine Haltung ist ebenfalls Pathosformel. Sie spielt später auf Seite 22 noch eine wichtige Rolle. Die Darstellung sieht jedoch nur aus, als sei sie in der Antike entstanden. Tatsächlich stammt sie aus der Renaissance (1400 – 1600 nach Christus).

Nach Tafel 8 gibt es eine Lücke im Bilderatlas. Wo sind die Tafeln 9 bis 19? Eine klare Antwort gibt es nicht. Wahrscheinlich plante Aby Warburg hier weitere Tafeln innerhalb der Zeitabfolge, konnte sie vor seinem Tod jedoch nicht mehr fertigstellen. Die Leerstelle beginnt am Ende des weströmischen Kaiserreichs – es bestand bis 476 nach Christus – und umfasst auch einen großen Teil des Mittelalters von circa 500 bis 1400 nach Christus. Der Atlas setzt mit der Tafel 20 wieder ein und konzentriert sich auf die Reise von Bildern in der Zeit zwischen 500 – 1500 nach Christus.