Kuratorisches Statement

Ausgehend von seinem Hintergrund als Improvisationsmusiker schafft der Künstler, Komponist und Performer Nicholas Bussmann Modelle von Gemeinschaftsbildung und Versuchsanordnungen zur Struktur imaginärer Welten. Bussmann nutzt die Eigenschaft von Musik, immer auch Modell sozialer Strukturen zu sein, um grundlegende Prinzipien von Vergesellschaftung abzubilden und die Erfahrung von Veränderbarkeit sozialer Ordnungen darzustellen. Er untersucht mit möglichst einfachen Mitteln das Verhältnis von Improvisation und Notation, Mimesis und Unbestimmtheit, individuellem und kollektivem Handlungsraum sowie Ritualistik und Polyphonie von Gesellschaft.

Die Ausstellung Kosmoskopien besteht aus drei Arbeiten. Wanderdünen ist eine performative Versuchsanordnung aus Sandkästen mit Fundobjekten, beleuchtet von einer Laufschrift. Im Zentrum steht das gemeinsame Erschaffen von Welten und Szenarien in Sandkästen. Diese wurden im 19. Jahrhundert zunächst in der militärischen Strategieplanung eingesetzt, bevor sie sich in Kindergärten und auf Spielplätzen durchsetzten. Die Wanderdünen überlassen jedem*r Einzelnen die Entscheidung, in den Prozess des Bauens und der kollektiven Verhandlung von projizierten Welten einzugreifen. An vier Tagen wird die Installation Wanderdünen Teil einer sie einfassenden Performance, begleitet von einem Chor und angeleitet von Spielleiter*innen, die ihre ganz unterschiedlichen kulturellen und professionellen Hintergründe in das Spiel einbringen. Immer wieder tauchen in dieser Versuchsanordnung Referenzen auf nomadische Gemeinschaften auf.

Bei Revolution Songs in an AI Environment handelt es sich um eine Installation aus LED-Screens und einem durch einen speziellen Automaten kontrollierten Flügel. Dieser Tastenroboter spielt die Melodien von Revolutionsliedern aus aller Welt, allerdings durch Mustererkennung einer künstlichen Intelligenz ausgelesen, oder durch Verschiebungen – phasing – verfremdet, während die dazugehörigen Texte mehrsprachig auf den LED-Screens animiert werden.

Auch die neue Installation Dachs Kirsche Schuh evoziert die Choreografie von Gemeinschaftsbildung unter den Bedingungen maschineller Mustererkennung. Dachs Kirsche Schuh greift dabei das Erscheinungsbild von Casinoautomaten auf, angeordnet rund um ein imaginäres Lagerfeuer unter barocken Wolken. Vom Windzug der Besucher*innen in Bewegung versetzt, bewegen sich die gemalten Wolken wie Rauchzeichen. Darunter erscheinen animierte Piktogramme und Emojis in maschinellen „Zufalls“-Kombinationen, die die amorphe Qualität sozialer Gemeinschaftsbildung gewaltsamen Zuordnungen unterwerfen: als forcierte Choreografie von Identität und Differenz, Glücks(spiel)versprechen und maschineller Indifferenz.

Anselm Franke