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AI (Ancestral Immediacies): Alterlife/Afterlife

Von Technologien, Sein und (Un-)Bewusstsein

Screenings, Performances, Gespräche, Vorträge, Installationen

24.–26.5.2024

Visual AI (Ancestral Immediacies): Alterlife/Afterlife

Diese Ausgabe von AI: Ancestral Immediacies betrachtet das Leben als einen Zustand, der auf vielfache Weise durch oder mithilfe von Technologien hervorgebracht und erhalten wird, als ein Nach- oder Andersleben. Alterlife/Afterlife – Von Technologien, Sein und (Un-)Bewusstsein stellt die eindeutige Trennbarkeit von Leben und Nichtleben infrage und versteht Grenzen und die Körper, die ihnen unterliegen, als porös und durchlässig. Technologien sind in heutigen Lebensformen nicht nur omnipräsent, sie verändern auch das körperliche Dasein und bringen selbst vielfältige Körper hervor. Sie bringen die tiefgreifende Frage mit sich, was das spezifisch Menschliche sein soll, wenn technologische Produktion zunehmend autonom, unsichtbar, allgegenwärtig und sogar (selbst-)bewusst geschieht.  

Neue Medientechnologien wie KI (Künstliche Intelligenz) bestimmen zusehends die Entwicklung von Gesellschaft und Umwelt. Sie ziehen die Grenzen zwischen Leben und Nichtleben neu. Im Hinblick auf gesellschaftliche Auswirkungen ist entscheidend, wie ein Leben nach der Omnipräsenz der Technologie aussehen könnte, wenn ausrangierte Geräte wieder in die stoffliche Erde übergehen und dabei Chemikalien und Substanzen freisetzen, deren Wirkung auf Körper und Welten unbekannt ist. Die Toxizität des elektronischen Abfalls überträgt sich scheinbar auf das Interface, wenn Deepfakes ein Eigenleben entwickeln oder wenn Gesichtsfilter die lange und gewaltsame Geschichte des Fremd- und Selbsthasses fortschreiben. Dennoch birgt die Vorstellung von empfindungsfähigen Gegenständen und denkfähigen Maschinen das Versprechen, den absolut Anderen zu erkennen und sich in ihn einzufühlen, selbst wenn das volle Ausmaß seiner Innerlichkeit für immer unbekannt und für seinen Status als Subjekt irrelevant bleiben wird. Vielleicht ist es eine Ironie der Geschichte, dass Sophia, ein mit weiblichen Attributen konstruierter, ‚weißer‘, normschöner Roboter, das einzige weibliche Wesen in Saudi Arabien ist, dem volle Bürgerrechte zuerkannt wurden, während seine innere Opazität und Autonomie vollkommen intakt bliebGiftstoffbelastung und Elektroschrott, herumgeisternde Hologramme und digitale Untote, die als Abbilder Verstorbener nicht aufhören, das beste aller Leben zu leben, führen vor Augen, dass die normative Basis des Lebens sich verändert hat. Es entsteht eine Welt, in der belebte Objekte oder Entitäten wie etwa ein Social-Media-Account, der nach dem Tod seiner Inhaber*in munter weiterpostet, oder Roboter wie Sophia für ihre Rechte einstehen.

Wenn irdisches Leben zusehends die Fähigkeit verliert, selbstbestimmt zu handeln, zu begehren und zu sterben, dann verändert sich die Konstellation ‚Leben‘ als Zusammenspiel historischer und materieller Faktoren. Drohnen, Bots und Deepfakes schreiben die Regeln von Leben und Nichtleben, Bewusstsein und Handlungsfähigkeit, ja sogar von Göttlichkeit um. Was heute dringlich und neu erscheint, könnte sich als Wiedererweckung längst vergangener Phänomene erweisen, wenn automatisierte Technologien irgendwann entdecken, dass Golems, Ungeheuern und animistisch-denkfähige Steine ihre Vorgänger sind. 

Vom Homunkulus bis zum Chatbot der Gegenwart wird der Mensch immer wieder mit der Eigenwilligkeit seiner eigenen Schöpfungen konfrontiert. Die Einordnung der KI in diese lange Reihe von Fast-, Nicht- und Anti-Menschen macht deutlich, dass die Lebendigkeit der Welt schon immer über den Menschen hinausging und dass der Mensch von den Objekten und Systemen abhängt, die sein eigenes Leben bedingen. Kann man eine zeitgemäße Definition von Leben und Lebendigkeit also in Drohnen, Pflanzen und Träumen wiederfinden? Bietet die Gegenwart nicht auch Gelegenheit, menschliche Schöpfungen in ihren ungleichen Auswirkungen darauf zu betrachten, wie wir Leben und Nichtleben verstehen?

Alterlife/Afterlife fragt danach, was es bedeutet, zur selben Zeit am Leben zu sein wie empfindungs-, denk- und willensfähige Maschinen – vom Homunkulus bis zur Artificial General Intelligence. Die lange Geschichte empfindungsfähiger Objekte findet dabei ebenso Berücksichtigung wie eine Revision der Unterscheidung zwischen Menschen und Nichtmenschen, die als nicht-empfindungsfähig gelten. In Performances, Vorträgen, Gesprächen und Filmvorführungen untersucht das Programm Animismen, Anthropomorphismen und das kulturelle Nachleben menschlicher und nichtmenschlicher Daten. Wie verändern digitale Technologien, die sich als Gedenkstätten oder Deadbots materialisieren, uralte Rituale der Bestattung und der Anerkennung der Toten? Wie drängen sie den Menschen dazu, am Leben zu bleiben?