Natalia Papaeva
Die Sorge um ihre Muttersprache und die Frustration über deren schrittweisen Verlust sind die zentralen Motive in Natalia Papaevas Werk. Aus Burjatien stammend – dem Indigenen Gebiet der Burjat*innen in Südsibirien – praktiziert sie Performance- und bildende Kunst, die auf persönlichen Erinnerungen ebenso wie auf kollektiven Erfahrungen beruhen. Sprache ist ihr künstlerisches Werkzeug, um die Folgen des Kolonialismus zu untersuchen, wie sie sich in gesprochener und geschriebener Sprache ausdrücken. Ein besonderes Augenmerk richtet sie darauf, spezifische Formulierungen und Lieder in der burjatischen Sprache zu neuem Leben zu erwecken. Die Zeilen aus Agha Shahid Alis Gedicht, das den Titel dieser Ausstellung inspirierte, klingen in Papaevas Performance Yokhor nach. Eindrucksvoll artikuliert sie die Brutalität der Auslöschung, die dem Aussterben einer Sprache unter erzwungenen Machtstrukturen innewohnt. In einem emotionalen Crescendo singt und schimpft Papaeva wutentbrannt zwei Zeilen aus einem traditionellen burjatischen Tanzlied namens Yokhor. Es sind die einzigen Zeilen, an die sie sich erinnern kann, und sie hält fest an den flüchtigen Worten – in einem Akt der Trauer, aber auch des Widerstands. In The river I grew up with taucht Papaeva in die Landschaft ihres Heimatdorfes Orlik ein und lässt verschwommene Kindheitserinnerungen und Familienweisheiten in einem ausführlichen Interview mit ihrer Mutter Revue passieren. Während sie sich in einer Mischung aus Burjatisch und Russisch unterhalten, notiert Papaeva russische Worte in Rot und burjatische in Grün. Damit steckt sie eine lückenhafte verbale Karte ab, die an eine Landschaft in Auflösung erinnert und aus einer familiären Interaktion den Spiegel einer Kultur im Wandel erstehen lässt.
Mit freundlicher Unterstützung der Botschaft des Königreichs der Niederlande in Deutschland
Werk in der Ausstellung:
Yokhor (2018), 1-Kanal video performance, 11'. Kamera: Oleg Revenko. Courtesy Natalia Papaeva
The river I grew up with (2023), 1-Kanal-video performance, 30'. Courtesy Natalia Papaeva. Regie: Koen Bartijn; Kamera: Oleg Revenko