Fußball ist untrennbar mit Transit verbunden. Spieler*innen reisen in internationalen Teams zu Wettbewerben weltweit und ziehen bei Vereinswechseln um. Ihre Bedeutung reicht oft weit über den Spielfeldrand hinaus; sie sind Vorbilder oder prominente Persönlichkeiten in den Communitys ihrer Herkunftsländer oder in der jeweiligen Diaspora. Spieler*innen mit Migrationsbiografien bringen neben Talent und Expertise auch ihre Erinnerungen, Traditionen und eigenen Rhythmen mit. Diego Maradona feierte seine Tore Cumbia Villera tanzend und brachte so die elektronischen Beats, Synthesizer und repetitiven Melodien dieses populären Subgenres der Cumbia aus Buenos Aires in Stadien auf der ganzen Welt und zu größerer Bekanntheit. Genauso war Roger Millas berühmter ‚Poledance‘ an der Eckfahne nach jedem seiner Tore bei Italia '90 eine performative Manifestation der Musiken, Tänze und Philosophien von Makossa, Assiko, Mangambeu, Bikutsi und Rumba auf dem Fußballplatz.

Die Auswirkungen der klanglichen Migrationen im Fußball werden besonders im Zuge großer Veranstaltungen wie der Weltmeisterschaft oder der Europameisterschaft spürbar. Während der Weltmeisterschaft der Männer 2010 in Südafrika sangen die Fans in den Stadien wiederholt den Refrain von „Zamina mina (Zangaléwa)“, einem 1986er Hit der kamerunischen Band Golden Sounds – später Zangaléwa –, auf dem Shakiras „Waka Waka (This Time for Africa)“ beruht, das offizielle Lied des Turniers. Shakiras Song wurde weltweit bekannt, während das Original weitestgehend im Dunkeln blieb.

Als Geste der Anerkennung diasporischer und klanglicher Migration durch Fußball feiert das Ballett-der-Massen-Programm der Musik- und Klangpraktiken des HKW die Afro-Diaspora mit drei entscheidenden klanglichen Pass(age)momenten:

Am 7. Juni eröffnet das Programm mit einem Konzert von Meiway & The Zo Gang und einem DJ-Set von Hanaby. Der Musiker und Songwriter Meiway ist bekannt für seinen Beitrag zu Zoblazo, einem populären urbanen Musikgenre der frühen 1990er Jahre. In ihm verschmelzen traditionelle ivorische und ghanaische Rhythmen der N’zema, Bété und Baoulé sowie Einflüsse von Funk, Pop und elektronischer Musik, die Coupé Decalé hervorbrachten. Zoblazo wurde nicht nur in der Elfenbeinküste, sondern auch in anderen westafrikanischen Ländern und afrikanischen Diaspora-Communitys auf der ganzen Welt populär. Im Anschluss spielt die in Berlin ansässige DJ Hanaby ein Set, das eine experimentelle und visionäre Fusion verspricht, inspiriert von der globalen Diaspora. Hanaby kreiert aus Elementen von unter anderem Gqom, Dancehall und Kuduro ein vielfältiges und dynamisches Klangmosaik.

Beim zweiten Pass(age)moment am 27. Juni ergänzen sich die Musik- und Klangpraktiken und die Literatur- und Oralturpraktiken in der Klangintervention Tell Me What You Listen and Dance To, And I Will Tell You Who You Are (Sag mir, was du hörst und wozu du tanzt, und ich sage dir, wer du bist). Das Projekt unter der Leitung des angolanischen Schriftstellers und Musikers Kalaf Epalanga – international bekannt geworden als Frontmann des Lissaboner Kollektivs Buraka Som Sistema – widmet sich musikalischen Vorlieben und bedeutenden Fußballturnieren wie der Weltmeisterschaft und dem Afrika-Cup und lädt das Publikum zum Nachdenken über die Einflüsse von Musik und Sport auf Identitätskonstrukte ein.

Der dritte und letzte Pass(age)moment am 11. Juli markiert erneut eine Schnittstelle, diesmal mit dem Sonic Pluriverse Festival: Terapia. Die DJ und Kuratorin für Musik- und Klangpraktiken im HKW, Edna Martinez, eröffnet den Abend mit einer Auswahl von Sounds, die von der Karibik bis nach Westafrika reichen. Anschließend steht die Kwashibu Area Band mit den Highlife-Musiklegenden Pat Thomas, Charles Amoah und K.O.G. auf der Bühne. Gemeinsam feiern sie die Veröffentlichung von Ghana Special, einer Compilation von Soundway Records, die an die Burger-Highlife-Bewegung der 1980er und 1990er Jahre erinnert. Zu dieser Zeit wanderten vermehrt ghanaische Musiker*innen nach Europa, insbesondere nach Deutschland aus, wo traditioneller Highlife und westafrikanische Melodien mit Disco, Boogie und Funk verschmolzen. Die so entstandene Fusion zeigt, wie die Genres sich moderne Technologien zunutze machten und wie sich der Sound der ghanaischen Diaspora ständig weiterentwickelte.

Zum Abschluss des Abends übernimmt die Crew von Oroko Radio die Bühne. Der unabhängige Radiosender aus Accra hat es sich zur Aufgabe gemacht, seine Hörer*innen durch Gespräche, Kollaborationen und kollektives Engagement zu inspirieren und dabei die Erzählungen von Communitys afrikanischer und diasporischer Künstler*innen in den Mittelpunkt zu stellen. Nico Adomako und Moneyama spielen ein Back-to-Back-DJ-Set und bringen damit den Sound von Oroko Radio ins HKW.