Kiluanji Kia Henda
Im kriegsgeschundenen Angola nach der Unabhängigkeit aufgewachsen zu sein, wirkt auf die multidisziplinäre Praxis des Konzeptkünstlers Kiluanji Kia Henda nach, insbesondere was seinen Ansatz in Bezug auf Kolonialität und die Nachwirkungen des Bürgerkriegs anbetrifft. Unter Rückgriff auf ein historisches Bewusstsein und alternative Neuerzählungen der Vergangenheit schaffen seine Projekte Szenarien, die die Grenze zwischen Fakt und Fiktion überbrücken und historische Narrative mit Vorstellungen von der Zukunft zusammenführen. Kia Henda porträtiert die angolanische Gesellschaft im Licht von Befreiung und Wiedergutmachung, häufig mit einem humorvollen, teils auch epischen Anstrich. Ein Beispiel ist die Performance-Reihe Redefining the Power (2011), in der auf den Sockeln ehemaliger Kolonialstatuen Menschen stehen; oder seine Ausstellung in der Galerie Goodman in London, A Healing Path for Phantom Pain, die auf die historische wie aktuelle Verflechtung von humanitärer Hilfe mit imperialer Politik hinweist, indem sie orthopädische Hilfen mit der Ausrüstung zur Bergung von Landminen kombiniert. Bei Echos der Bruderländer präsentiert Kia Henda ein atmosphärisches Foto-Triptychon, das den rostenden Rumpf der Karl Marx, Luanda abbildet. Das Schiff war einst Teil einer fortschrittlichen sowjetisch-angolanischen Fischfang-Initiative, liegt aber heute verlassen an einem Strand in der Nähe von Luanda. Als Installation vor den Fotos zeugt ein Kreis aus gesammelten Teilen des zerfallenden Schiffs von den gefährlichen Hinterlassenschaften des Kalten Krieges. Der neu gedrehte Kurzfilm, The Cemetery of Boats, erschließt die Hoffnungen, die damals an die Fischerei-Genossenschaft geknüpft waren, anhand der Erinnerungen von Kia Hendas Cousin Filipinho, der 1979 als einer von Tausenden angolanischen Studierenden in die UdSSR nach Rostov kam, um sich am sozialistischen Kulturaustausch zu beteiligen. Der Film verbindet Filipinhos Liebe für Alexander Puschkin, den afrodiasporischen Vater der russischen Literatur, mit Kia Hendas eigenen Ausführungen über den Traum seiner Familie, eine neue angolanische Gesellschaft aufzubauen. Das Ergebnis ist ein vielseitiges Bild von der Geschichte des Landes nach der Unabhängigkeit, von dessen komplizierten Verbindungen mit der Sowjetunion und vom Nachhall des internationalen sozialistischen Austauschs und der zugehörigen Bündnisse.
Werke in der Ausstellung: Karl Marx, Luanda (2006/2023), Fotografien, Tintenstrahldruck auf Fotopapier, 130 × 86 cm; Metallschrott, Maße variabel; The Cemetery of Boats (2023), Film, Portugiesisch und Russisch mit engl. UT; in Auftrag gegeben vom Haus der Kulturen der Welt (HKW), produziert von Kiluanji Kia Henda, Gwaertler-Stiftung und HKW, 2023. Kiluanji Kia Henda dankt der Gwaertler-Stiftung für ihre freundliche Unterstützung.