Mit der Verabschiedung des Gesetzes über die Unterbrechung der Schwangerschaft am 9. März 1972 wurden Schwangerschaftsabbrüche in der DDR legal. Der progressive Rechtsakt, den viele zur kommunistischen Reform erklärten, war ein politischer Schachzug der Partei, die sich an die anderen Ostblockstaaten anpassen und der westlichen Gegenseite zuvorkommen wollte. Dieser Cluster thematisiert das Aushandeln der Reproduktionsrechte von Frauen und Frauenfragen insgesamt im Kontext der Frauenverbände, Migrationsgeschichte und Parteipolitik.

1947 gründete sich der Demokratische Frauenbund Deutschlands (DFD) als eine Art Dachverband der verschiedenen antifaschistischen Frauengruppen, die nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden. 1949 hatte die ursprünglich in West- und Ostdeutschland vertretene, dann jedoch in der Bundesrepublik verbotene Organisation, bereits 500.000 Mitglieder. Mehrere frühe DFD-Dokumente sind der Ausgangspunkt für die thematischen Resonanzen zu diesem Thema.

Ein zentrales Element des DFD waren die internationalen Bündnisse, die sich im Kampf der Frauen für Gleichheit und Gerechtigkeit formierten. Der Anschluss an die Internationale Demokratische Frauenförderation (IDFF) galt vielen als Beitritt zum einflussreichsten Frauenverband in der Zeit des Kalten Krieges. Ein Bild zeigt Veronika Prempeh aus der ghanaischen Delegation anlässlich ihrer Rede zum 7. DFD Kongress am 23. November 1960. Die Vertreterinnen internationaler Frauenorganisationen versammelten sich in Berlin zur Diskussion des möglichen Beitrags von Frauen und Müttern zur Sicherung des Friedens und zum Aufbau des Sozialismus in der DDR.

Zwar konzentrierte sich der DFD in seiner Arbeit von Anfang an auf Gleichberechtigung und Gleichbezahlung für weibliche Werktätige, doch für Staat und Partei blieb dieser Aspekt der Klassenfrage untergeordnet. Der Einfluss der Arbeitenden in den Fabriken beschränkte sich explizit auf den Freien Deutschen Gewerkschaftsbund FDGB. Ursula Schröter weist im Digitalen Deutschen Frauenarchiv darauf hin, dass sich die ideologische Theorie und Praxis des DFD zunehmend auf die Privatsphäre – Beratungsangebote für Familie und Haushalt – reduzierte. Die Frauenpolitik der DDR mit ihrer verpflichtenden Loyalität gegenüber dem Staatssozialismus und seiner Partei sorgte für Spannungen in der ,schwesterlichen‘ Solidarität. Ähnliche Spannungen zeigen sich in den Erfahrungen der Migrantinnen in der DDR.

Nguyen Thi* war Gruppenleiterin in einer Fabrik bei Erfurt. Sie unterstützte vietnamesische Arbeiterinnen im Arbeitsumfeld oder mit Übersetzungen. In einem Gespräch mit Hai Nam Nguyen berichtete sie über die Bedingungen und Umstände, in denen diese Frauen lebten.

Sie erzählte, dass die Menschen in der politischen und wirtschaftlichen Lage Vietnams nach dem Krieg kaum Arbeit fanden und die Möglichkeit, in der DDR Geld zu verdienen, als besonderes Privileg wahrnahmen. In der DDR zu arbeiten, war für sie und ihre Familien nicht nur eine ökonomische Notwendikeit, sondern wurde von vielen als Chance gesehen, dem eigenen Land aus der Armut zu helfen. Frauen, die als ‚Vertragsarbeiterinnen‘ ins Land kamen, durften – so sahen es die Arbeitsverträge vor – nicht schwanger werden. Andernfalls wurde ihnen sofort gekündigt, und sie wurden abgeschoben. Beschäftigte erhielten routinemäßig Verhütungsmittel. Allerdings gab es Gerüchte, dass sich die verschriebenen Anti-baby-pillen negativ auf die Fruchtbarkeit auswirken würden, sodass etliche Frauen sich weigerten, sie zu nehmen. Viele Arbeiterinnen, fühlten sich bei einer Schwangerschaft angesichts der wirtschaftlich prekären Lage, des unsicheren Aufenthaltsstatus in der DDR und des sozialen Drucks in ihrer eigenen Community zur Abtreibung gezwungen. Das Fehlen persönlicher Berichte darüber belegt das Schweigen, das im Land herrschte. Die Erfahrungen der betroffenen Frauen blieben weitgehend undokumentiert, niemand sprach darüber. Doch sie hinterließen Spuren in der ersten und zweiten Generation der vietnamesischen ‚Vertragsarbeiter‘.

*Name geändert