Silenced Voices, Unbroken Spirits: The Legacy of Armenian Women
Performance, Film Screenings, Gespräch, Konzert
We., 30.4.2025
18:30–23:00
Safi Faye Saal
Angie Stardust Foyer
auf Englisch
Eintritt frei

Marie Yevkiné Tirard
Der Genozid an den Armenier*innen, auch Aghet genannt (armenisch für Katastrophe), ereignete sich im Osmanischen Reich während und nach dem Ersten Weltkrieg. Die Armenier*innen, eine christliche Minderheit, waren seit Jahrhunderten auf dem historischen Gebiet des Osmanischen Reichs beheimatet – mit abwechselnden Phasen eines relativ friedlichen Zusammenlebens und solchen diskriminatorischer Unterdrückung. Während des Ersten Weltkriegs beschuldigte die Jungtürkische Regierung die Armenier*innen, auf Seiten der Feinde des Osmanischen Reichs – wie etwa Russland – zu stehen und nutzte dies als Vorwand für ihre Verfolgung. Am 24. April 1915 verhafteten und exekutierten die osmanischen Behörden Hunderte von armenischen Intellektuellen und führenden Persönlichkeiten in Konstantinopel (dem heutigen Istanbul), was den Beginn des Völkermords markierte. Die Armenier*innen wurden deportiert und auf Todesmärsche durch die syrische Wüste geschickt, ohne Nahrung, Wasser oder Schutz. Unterwegs wurden zahllose Armenier*innen massakriert, während andere an Hunger, Krankheiten oder Erschöpfung starben. Man schätzt, dass in dieser Zeit zwischen 1,2 und 1,5 Millionen Armenier*innen getötet wurden. Die Überlebenden wurden über die ganze Welt verstreut, wodurch eine große armenische Diaspora entstand, in der die Erinnerung an den Völkermord wachgehalten wird.
An diesem Abend gedenkt das Haus der Kulturen der Welt (HKW) des 110. Jahrestages des Völkermordes an den Armenier*innen. Künstlerische Beiträge, Filmvorführungen und ein Gespräch würdigen das Gedenken an die 1,5 Millionen ermordeten Armenier*innen und thematisieren die bis heute anhaltenden Nachwirkungen dieser Jahre. Angesichts der großen armenischen Diaspora in Deutschland, insbesondere in Berlin und Köln, zielt das Programm darauf ab, Verständnis und Dialog zu fördern und sich gegen alle Formen von Völkermordleugnung und Ungerechtigkeit zu wenden. Der Abend ist offen für alle, die nachdenken, lernen und sich erinnern wollen.
Das Programm richtet das Augenmerk insbesondere auf die Erfahrungen armenischer Frauen. Während der Deportationen hatten es die osmanischen Behörden auf Frauen und Kinder abgesehen, um sie zu assimilieren, und zwangen sie, zum Islam zu konvertieren. Diese unterdrückten und verborgen gebliebenen Geschichten sind in der heutigen türkischen Gesellschaft nach wie vor tabuisiert und kommen oft nur zufällig ans Tageslicht, etwa durch die Entdeckung eines armenischen Erbes in der eigenen Familie. Durch die Hervorhebung von Stimmen, die in der hegemonialen Geschichtsschreibung oft übersehen oder an den Rand gedrängt werden, versucht das Programm, eine nuancierte Darstellung der armenischen Erfahrung zu schaffen und sie so mit breiteren globalen Diskussionen über Erinnerung, Identität und die Rolle der Kunst beim Umgang mit historischen Traumata zu verbinden.
18:30 – Performative Geste
Angie Stardust Foyer
Silence
Mehtap Baydu
Das Phänomen des Schweigens durchzieht wie ein unsichtbares Band das Gefüge menschlicher Interaktion, sei es in kleinen Gruppen, breiten Gesellschaftsschichten, politischen Arenen oder innerhalb von Minderheiten und Gendergruppen. Auf den ersten Blick mag Schweigen neutral erscheinen, doch bei genauerer Betrachtung entpuppt es sich oft als ein komplexes und vielschichtiges Konstrukt, das weit mehr als die bloße Abwesenheit von Worten beinhaltet. Besonders brisant wird es, wenn Stille den Eindruck scheinbarer Einstimmigkeit zu erwecken beginnt, einer trügerischen Oberfläche der Harmonie, unter der ein Meer unausgesprochener Meinungen, unterdrückter Ideen und ungelebter Identitäten brodelt.
19:15 – Film Screenings
Safi Faye Saal
Armat
D: Élodie Dermange, 2022, Schweiz, DCP, 11' 37", Französisch mit englischen Untertiteln
In diesem animierten Kurzfilm begibt sich Élodie auf die Suche nach ihren armenischen Wurzeln. Sie interviewt ihren Vater, ihren Onkel sowie ihre Großtante und stößt dabei auf eine brutale Geschichte, in der Gewalt und die Unfähigkeit zu lieben von Generation zu Generation weitergegeben wird.
Sweet Home Adana
D: Nagehan Uskan, 2024, Türkiye, Portugal, Italien, DCP, 21', Türkisch, Armenisch mit türkischen und englischen Untertiteln, im Anschluss Q&A mit der Regisseurin
Die Dokumentation erzählt die Reise in die Heimat von Marie, eine Armenierin aus Adana, die gezwungen wurde, zum Islam zu konvertieren. Es ist eine Geschichte über die Suche nach den eigenen Wurzeln und das Unvermögen, sie zu finden. Von den alten Gedenkstätten Adanas über die diplomatischen Archiven von Nantes in Frankreich bis zu der zerstörerischen Suche der Schatzsucher bringt Sweet Home Adana jene fragmentierten Aspekte von Verleugnung und Vergessen zusammen.
20:15 – Diskussion
Safi Faye Saal
Mit Alice von Bieberstein, Nazan Maksudyan, Silvina Der Megirduchian, moderiert von Veronika Zablotsky
Die Podiumsdiskussion konzentriert sich auf die Geschichten von Frauen, die von der offiziellen Geschichtsschreibung oft ignoriert werden, und reflektiert die traumatischen Erfahrungen vieler armenischer Frauen während und nach dem Genozid. Die politische Anthropologin Alice von Bieberstein, deren Arbeit um die Herausforderung kreist, sich ethnografisch mit dem armenischen Völkermord als transnationalem Ereignis auseinanderzusetzen, die Historikerin Nazan Maksudyan, deren Forschungsschwerpunkte Kinder und Jugendliche, Geschlecht und Sexualität, Exil und Migration, Sound und Medien im späten Osmanischen Reich und der modernen Türkei sind, und die Künstlerin Silvina Der Megirduchian, Enkelin armenischer Einwanderer aus Argentinien, tauschen ihre intellektuellen, künstlerischen und aktivistischen Perspektiven auf die individuelle und kollektive Geschichte armenischer Frauen aus und stellen eine Verbindung zu allgemeineren Fragen der Erinnerung, Identität und Marginalisierung her. Unter der Moderation der politischen Theoretikerin Veronika Zablotsky, die sich mit Fragen der Diaspora und der Migration mit besonderem Schwerpunkt auf der globalen armenischen Vertreibung befasst, geht es in der Podiumsdiskussion um die Frage, wie individuelle und kollektive Zeugnisse und Performances neue Formen des kulturellen Gedächtnisses schaffen und den sozialen Zusammenhalt fördern können.
21:45 – Abschlussversammlung und musikalische Performance
Angie Stardust Foyer
Poems and Lullabies of the Post-Nostalgic
Musikalische Performance von Marie Yevkiné Tirard
Das Programm schließt mit einer informellen Zusammenkunft und einer musikalischen Performance von Marie Yevkiné Tirard. Die Vorfahren von Marie überlebten den armenischen Völkermord von 1915. Marie fand ein Buch mit Gedichten, das ihre Urgroßmutter mütterlicherseits, Yevkiné Diarian, in den 1930er Jahren geschrieben hatte und das in ihrer Familie als eine Art stille Reliquie aufbewahrt wurde. Sie beschloss, diese in einer bedrohten Sprache (Westarmenisch, Türkisch und Dialekt) geschriebenen Gedichte zu übersetzen, und entdeckte dabei all die Gefühle der Verzweiflung, der Nostalgie und des Verlusts, die Yevkiné zu Lebzeiten nicht ausdrücken konnte, die sie aber dennoch mit ihren Nachkommen teilen wollte. Um ihrer Vorfahrin eine Stimme zu geben, macht Marie aus ihren Worten Musik. Sie verkörpert die Figur des Aschik, eines nomadischen Troubadours, der Poesie, Erzählung und Musik mischte, und erzählt die Geschichten ihrer Vorfahr*innen. Sie spielt die Saz, das Instrument des Troubadours, und kombiniert sie mit Elektronik und Aufnahmen von Umgebungsgeräuschen und traditionellen Instrumenten.