Leiko Ikemura
In ihrer fünf Jahrzehnte umspannenden Karriere schuf die Berliner Künstlerin Leiko Ikemura ein Werk vielfältiger künstlerischer Sprachen, Medien, Konstellationen und Referenzen. Schon früh arbeitete sie an der kontinuierlichen Neuerfindung des Expressionismus durch Kompositionen und Maltechniken, die unterschiedliche Traditionen repräsentieren. Sie führen und in fantastische Welten psychologischer Landschaften, wo die Grenzen zwischen Mensch, Tier und Pflanze überwunden werden. Ein wichtiger Teil ihres Œuvres sind die Keramik- und Bronzefiguren, in denen sich Anspielungen auf mythologische Konzepte aus verschiedenen Kontexten ebenso finden wie Verweise auf die zeitgenössische Popkultur. Ein wiederkehrendes Motiv ist ein kleines Mädchen, das Ikemuras Haltung gegenüber feministischen Ideen und Perspektiven reflektiert. Die Künstlerin will den herrschenden männlichen Blick der Kunstgeschichte umkehren und gesellschaftliche Erwartungen an Frauen umstoßen. Ein weiteres, vor allem in neueren Projekten auftauchendes Motiv aus Ikemuras Welt ist das Kaninchen. Dabei bedient sie sich einer Vielzahl kunsthistorischer und visueller Genealogien. Nach dem Erdbeben, dem Tsunami und dem atomaren GAU in Tohoku im März 2011 schuf Ikemura das erste Usagi Kannon (eine Wortkombination aus dem japanischen Begriff für ‚Kaninchen‘ und Kannon, dem Bodhisattva des Mitgefühls). Forgive Us Our Trespasses / Vergib uns unsere Schuld zeigt eine Auswahl mehrerer Werke aus verschiedenen Jahrzehnten, darunter Ikemuras Auseinandersetzung mit dem Erbe des Zweiten Weltkriegs in der Pazifikregion. Zwar ist narrative Geschichte in ihren Projekten nicht dominant, doch sind der Schrecken jener Jahre und dessen Folgen in der Energie ebenso wie im Farbspektrum und Tenor ihrer Werke auf mächtige Weise spürbar.
Werke in der Ausstellung: Double Figure (2021), patinierte Bronze, 58,5 × 107 × 168 cm; O. T. (1980–1981), Videoprojektion von Zeichnungen, Maße variabel; O. T. (Spinne) (1980er), Acryl auf Leinwand, 210 × 240 cm; Yokais (1983), Kohle auf Papier, 210 × 480 cm, gerahmt 231,5 × 498 cm. Courtesy Leiko Ikemura