Sim Chi Yins Arbeiten sind spekulative und offene Erzählungen der Kolonialgeschichte, die ihre Form durch künstlerische Recherche und Interventionen in Archiven erhalten. Ein zentrales Thema ist die Präsenz von familiären Traumata und generationsübergreifendem Schweigen, die Rückkehr der Geschichte, die niemals abgeschlossen ist, sondern zyklisch wiederkehrt und immer wieder neu konfiguriert wird. Sim Chi Yins Arbeiten in der Ausstellung bedienen sich aus dem seit zehn Jahren bestehenden Videoarchiv der Künstlerin und präsentieren die unvollendete Geschichte mehrerer Generationen ihrer Familie im Kontext der politischen Historie British Malayas, dem heutigen Malaysia und Singapur. Zu sehen ist, wiesich verändernde internationale Bündnisse und der antikoloniale Befreiungskampf nicht nur die Entstehung der beiden Staaten beeinflussten, sondern unmittelbar auch das Leben ihres Großvaters betrafen, der 1949 von der britischen Kolonialverwaltung deportiert und später in China hingerichtet wurde. Sim Chi Yins intensive Recherchen zum Guerrillakrieg der kommunistischen Nationalen Befreiungsfront Malayas (MNLA) gegen die Streitkräfte des britischen Empires – die sogenannte Malayan Emergency von 1948 bis 1960 – dokumentieren auch die Folgen dieses geopolitischen Tauziehens für den Alltag der Menschen und verweisen auf die Auswirkungen von Migration und Widerstand. Ihr Werk reflektiert das Echo dieser Historie zwischen Vergangenheit und Zukunft und eröffnet damit eine Möglichkeit, Geschichte neu zu schreiben. 

Werk in der Ausstellung: The Mountain That Hid (2022), 2-Kanal-Video, Ton, 5’ 56”, Courtesy Sim Chi Yin; The Suitcase Is a Little Bit Rotten (2023), UV-Druck auf Glas, Lichtkasten aus nachgebautem Vintage-Retuschierständer, Maße variabel, Courtesy Sim Chi Yin und Zilberman, Istanbul/Berlin/Miam