Aslı Çavuşoğlu
![Aslı Çavuşoğlu, RED / RED [Diptych] (2015). Foto: Blaise Adilon](https://www.hkw.de/magnoliaPublic/.imaging/mte/hkw-de/small/dam/hkw-de/images/2025/Musafiri/artist-pages/asli-cavussoglu-redred-diptych.png/jcr:content/asli-cavussoglu-redred-diptych.png)
Aslı Çavuşoğlu, RED / RED [Diptych] (2015). Foto: Blaise Adilon
Das Interesse der Künstlerin und Schriftstellerin Aslı Çavuşoğlu an der Instabilität historischer „Fakten“ zeigt sich in einer geradezu erratischen Dialektik zwischen Wiederholung und Auslassung. Die Subjektivität der Geschichte auf übergreifender wie persönlicher Ebene ist vielleicht ihr zentrales Thema. So stellt die Arbeit RED / RED [Diptych] (2015), filigrane Zeichnungen auf vergilbtem Papier, eine wunderschöne Transmutation eines historischen Pigments in die Gegenwart dar. Das Werk bezieht eines seiner Rottöne aus der armenischen Cochenille-Tinte (Porphyrophora hamelii). Nachgewiesen ist ihre Verwendung erstmals auf Textilien aus Palmyra im siebten Jahrhundert v. u. Z., in armenischen Miniaturen und Manuskripten findet sie sich im Laufe der Geschichte immer wieder. Sie wird aus der Säure eines im Aras-Tal beheimateten Insekts gewonnen. Der Wasserlauf des Aras bildet eine natürliche Grenze zwischen der heutigen Türkei und Armenien. Das Insekt ist seit den 1970er Jahren – und damit seit den Zeiten der Zugehörigkeit Armeniens zur Sowjetunion – als gefährdete Art gelistet. Die hierin zum Ausdruck kommenden poetischen Anspielungen verweisen auf den geopolitischen und ökologischen Druck, dem das Gebiet seit vielen Generationen ausgesetzt ist, sowie auf die vernachlässigte Aufarbeitung des Völkermords an den Armenier*innen im Jahr 1915. In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts stießen spanische Kolonisten in Mexiko ebenfalls auf Cochenille, gewonnen aus einem anderen Insekt; der Farbstoff zählte zu den ersten Waren auf den neu entstehenden globalen Handelswegen, die Amerika, Asien und Europa miteinander verbanden. Bei dem anderen zum Einsatz kommenden Rot handelt es sich um einen kräftigeren Farbton, wie er in der türkischen Nationalflagge zu finden ist. Mit seinen harten Kanten und in seiner Opazität weist das Werk so elegant wie hintergründig auf diese konfliktreichen Narrative hin – stellt es doch einen radikalen Schritt dar, eine Farbe über die Zeit und die besondere Geschichte ihres Ursprungs, ihre Geografie und ihre Verwendung hinweg zu begreifen. Eine solche Geste besteht auf einer dauerhaften Präsenz der Vergangenheit ebenso wie sich darin der Glaube an die Neugier der Betrachter*innen ausdrückt, sich ein eigenes Bild zu machen.
Werke in der Ausstellung: RED / RED [The story of Agathange, a vision from St Gregory, the Enlightened] (2015), armenische Cochenille-Tinte auf restauriertem Papier, 16,5 × 33,5 cm; RED / RED [Diptych] (2015), armenische Cochenille-Tinte auf restauriertem Papier, 100 × 70 cm. Courtesy Sammlung LAURASAR