Mit ihrem Langzeitprojekt Timur Merah präsentiert Citra Sasmita Gegenerzählungen zum balinesischen Kunst- und Literaturkanon, der auf Erzählungen von männlichen Helden basiert und Frauen dekorative Rollen zuschreibt. Sasmitas Welt wird von starken Frauen bevölkert und beherrscht, die sich gegen den männlichen Blick wehren, der den kolonialen Würgegriff um die balinesische Kultur bestärkte. Nach dem Fall des letzten balinesischen Königreichs im Jahr 1908 führten die Niederlande die Politik des „Baliseering“ ein. Diese Strategie der Kulturdiplomatie zielte darauf ab, ein „authentisches“ Bali zu schaffen, in dem die heimische Community ihre kulturellen Praktiken unter niederländischer Aufsicht ausüben sollte. Antikoloniale Nationalist*innen hielten dem entgegen dass Bali durch diese Politik als „lebendes Museum“ eingefroren würde, das an die koloniale Ästhetik des Edlen und Exotischen appellierte. Gleichzeitig würde jegliche balinesische Selbstbestimmung ausgelöscht und die Quellen, aus der sich die balinesische Kultur speiste, würden versiegen. Eben jene Quellen werden in diesen Werken sichtbar, die in einen kritischen Dialog mit der balinesischen Kamasan-Malersprache treten, wie sie sich im Laufe der Jahrhunderte durch vielfältige Austauschprozesse entlang der Reise- und Handelsrouten zwischen Indien und Südostasien heraus gebildet hat. In krassem Gegensatz zu den malerischen Codes des Kamasan stellen Sasmitas Werke auf skurrile Weise Frauenfiguren, Feuer und verschiedene natürliche Elemente in einem Tableau pansexueller Energie dar. Eingerahmt werden sie von prachtvollen Textilien, die aus den komplexen Handelsnetzen rund um die indonesischen Inseln stammen, an deren Aufbau Indien, China und die Ankunft des Islams auf dem Archipel beteiligt waren. Diese Textilien fließen von einem überreich beschnitzten Holzbügel herab – eine Tradition, die von hinduistischen javanischen Schnitzer*innen des Majapahit-Reiches nach Bali gebracht wurde, als sie vor der Ausbreitung des Islams auf der Insel Zuflucht suchten. Obwohl die von Sasmita entworfenen Szenen in diesen vielfältigen Genealogien des Denkens, der Glaubensausübung und der Repräsentation wurzeln, sind sie ebenso Teil zeitgenössischer Vorstellungen einer säkularen und selbstbestimmten Mythologie im Sinne einer post-patriarchalen Zukunft.

Werke in der Ausstellung: The Stars and Ring of Fire (2023), antiker, geschnitzter Holzbügel, Stoff, Acryl auf traditioneller Kamasan-Leinwand, 179 × 103 cm. Courtesy Citra Sasmita und Yeo Workshop, Singapur; The Green Paradise (2023), antiker, geschnitzter Holzbügel, Stoff, Acryl auf traditioneller Kamasan-Leinwand, 165,5 × 117 cm. Courtesy Citra Sasmita und Yeo Workshop, Singapur; Homo Luminous (2023), antiker, geschnitzter Holzbügel, Stoff, Acryl auf traditioneller Kamasan-Leinwand, 161,5 × 108 cm. Courtesy Citra Sasmita und JH & KH Collection, Singapur; Temple of God Fire (2023), antiker, geschnitzter Holzbügel, Stoff, Acryl auf traditioneller Kamasan-Leinwand, 157,5 × 108 cm. Courtesy Citra Sasmita und Junko Yoda, Singapur