Jimmy Ong fängt koloniale Geschichte und postkoloniale Gegenwart ein, um die vielschichtigen Gesellschaften Südostasiens nuanciert zu beschreiben. Dabei weist er philosophischen Traditionen, spirituellen Werten und regionalen Mythen eine zentrale Rolle zu, um sie gleichzeitig mit queerer und feministischer Subjektivität und Praxis engzuführen. Buddhistische Introspektion und Transformation sind bei ihm ebenso präsent wie konfuzianische Werte der Selbstkultivierung und der sozialen Verantwortung. Viele seiner Arbeiten thematisieren die Auswirkungen der nationalen Identifikation mit dem britischen Kolonialisten Thomas Stamford Raffles, der als Gründungsfigur Singapurs verehrt, in Indonesien hingegen mit Kriminalität und Gewalt assoziiert wird. Die voluminösen, gepolsterten Figuren aus der Serie Seamstress Raffles, die hier zu sehen sind, spiegeln diese kognitive Dissonanz. Sie stellen einen zerstückelten Raffles dar – ein Verweis auf die frühere Praxis der Sultane gegenüber Verrätern –, während die Körperhaltung zugleich an die heroische Pose der Raffles-Statue in Singapur erinnert. In Referenz an die Verflechtung der regionalen Textilindustrie mit der Kolonialgeschichte wurden die Figuren in Zusammenarbeit mit Näherinnen aus Yogyakarta hergestellt. Bestickt und mit traditioneller Batiktechnik eingefärbt, sind sie zusätzlich mit Epitaphen beschriftet – Sprichwörtern aus einem Abschnitt zu den „Ethics of the Javans“ in Raffles’ Buch History of Java (1817). In gewissem Sinne begehen die Näherinnen einen Akt der Quälerei. Sollte es sich tatsächlich um einen solchen handeln, dann ist es allerdings einer, der die Sühne erleichtert, die auf derartige Gewaltanwendungen folgen muss. Ongs Installation entfaltet sich in einer Zeit, in der die Statuen historischer Eindringlinge von ihren Sockeln gestürzt werden. In shibari-Fesselung von der Decke herabhängend ermöglichen die von ihm geschaffenen Körper stellvertretend eine spielerische, aber transzendente kollektive Verarbeitung von Unterwerfung und Beherrschung.

Werke in der Ausstellung: Jimmy Ong und Nyai Penjahit, mit shibari von Daniel Kok, Seamstress Raffles (Indigo Juko) (2018), Baumwollstoff und Dacron mit violetten shibari-Seilen, 80 × 50 × 30 cm; Jimmy Ong und Nyai Penjahit, mit shibari von Daniel Kok, Seamstress Raffles (Florent) (2016), Baumwollstoff, Dacron und Ikea-Ständer, 90 × 50 × 30 cm; Jimmy Ong und Nyai Penjahit, mit shibari von Daniel Kok, Seamstress Raffles (Purple) (2017), Baumwollstoff, Dacron und Ikea-Ständer, 90 × 50 × 30 cm. Courtesy FOST Gallery, Singapur