Da sind Schnitte, tiefe Schnitte
In deiner Haut und deinen Haaren
Und Furchen auf deinem Gesicht
Die sind der Weltenlauf
Die sind unlesbare Karten
Nach uralter Zeichnung
Du brauchst einen Piraten
Der sein Handwerk beherrscht
Dich raushaut aus der Barbarei
Und einmal mehr
Vor alle Welt hinstellt
Frau
—Beatriz Nascimento, „Traum“, aus dem Englischen von Michael Götting
 

‚In Front of the World‘: Lernen mit Beatriz Nascimento schafft Raum für das konzeptionelle und imaginative Denken der afro-brasilianischen Historikerin, Dichterin und Intellektuellen Beatriz Nascimento. Nascimentos Thesen und Schriften über Transmigration, Schwarze transatlantische/ozeanische Räume, Quilombos und die Rahmung von Territorialität als Werden geben Teilnehmer*innen, Mitwirkenden und Zuschauer*innen Strategien an die Hand, die sich intensiv mit Fragen zur geografischen Beschaffenheit von Schwarzsein auseinandersetzen, ohne sie in festen Zeiten und Orten zu verankern.[1]

Für diese Ausgabe der School of Quilombismo, die sich um das Leben und Werk von Beatriz Nascimento dreht, haben die Forschungsarbeiten von Christen Smith, Archie Davies und Bethânia Gomes wichtige konzeptionelle Impulse gegeben und wir danken ihnen dafür. Der Titel des Programms ist dem Gedicht „Sonho“ („Traum“) von Beatriz Nascimento entlehnt und wurde in einem Essay von Smith, Davies und Gomes mit dem Titel „‚In Front of the World: Translating Beatriz Nascimento“' übersetzt und veröffentlicht. Wir haben eine leichte Umformulierung vorgenommen, um Platz für die Anekdoten und den Perspektivwechsel zu schaffen, die die Schwarze brasilianische Aktivistin und Organisatorin Sandra Bello mitbringt. Den Geist von Nascimento beschwörend, bietet diese Abendschule Klang und Musik, diskursive und spielerische Zusammenkünfte und ein  Netzwerk miteinander verbundener Praktiken, die Dimensionen des Mystischen, Spirituellen, Ökologischen, Sozialen und Politischen ausloten.

[1] Siehe Christen Smith, Archie Davies, and Bethânia Gomes, „‚In Front of the World‘: Translating Beatriz Nascimento“, Antipode 53/1 (Januar 2021), S. 279–316. Siehe auch Christen Smiths Essay „Towards a Black Feminist Model of Black Atlantic Liberation: Remembering Beatriz Nascimento“, Meridians 14/2 (September 2016), S. 71–87.

 

Samstag, 26. August

21:00
O Quilombismo und Schule des Quilombismus
Amal Alhaag, André Pitol, Atabey, and Marie Helene Pereira
Veranstaltungsort: HKW
Im Rahmen der Langen Nacht der Museen

Die Schule des Quilombismus konkretisiert sich über den Sommer 2023 an verschiedenen Orten. In dieser letzten Sitzung öffnet sie sich während der Langen Nacht der Museen einem breiten Publikum. Die diesjährige Ausgabe der Museumsnacht, „Sounds of Berlin", lässt uns dem Echo nachhören, das die Ausstellung O Quilombismo im Berliner Stadtraum gefunden hat. Was wurde von der Ausstellung gehört? Wie lassen sich verschiedene geografische und ideologische Kontexte im heutigen Berlin mit den Kämpfen verbinden, die O Quilombismo beschreibt? Die Ko-Kurator*innen der School of Quilombismo Amal Alhaag und André Pitol tauschen sich mit den HKW-Kurator*innen Marie Helene Pereira und Carlos Maria Romero aka Atabey über ihre Ideen, Erfahrungen und Beobachtungen aus und zeichnen nach, wie unerwartet, ungewöhnlich oder widerspenstig Lernprozesse verlaufen können.

Ab 14:00
Gesundheit und Selbstbestimmung: Workshops und Austausch zu heilkundlichen Wissensformen und autonomer Gesundheitsversorgung
Veranstaltungsort: Spore Initiative Berlin

Bei der Spore Initiative möchten wir im Rahmen der School of Quilombismo Räume für Gesundheitsversorgung, Solidarität und Selbstbestimmung erkunden, die angesichts eines von Rassismus und Diskriminierung geprägten Gesundheitssystems dringend gebraucht werden. Dazu laden wir FLINTA* Teilnehmende ein, sich in praktischen Heilkundeworkshops und Gesprächen zu unterschiedlichen Formen der angewandten Gesundheit, der Verbindung zur Natur, zu Alltagsritualen und Körperbewusstsein auszutauschen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Vielfalt heilkundlicher Wissensformen und einem Gesundheitsverständnis, das gesellschaftliche und politische Faktoren ebenso berücksichtigt wie Vereinsamung, Isolation oder Stress. So möchten wir gemeinsam einen Raum für Dialog, Begegnungen und Kompliz*innenschaft öffnen, in dem alternative beziehungsweise ergänzende Modelle, Projekte und Räume zugänglicher und kollektiver Fürsorge vorgestellt, gelebt und entworfen werden.

Weitere Informationen zu den Workshops und Zeiten finden Sie hier.
Workshopanmeldung: participate@spore-initiative.org

Montag, 28. August

17:30–19:00
Ghosts in the Machine: Building Inclusive Futures in Unjust Spaces
Vortrag von Karen Salt
Veranstaltungsort: HKW

In diesem Vortrag im Rahmen unserer Abendschule erforscht Dr. Karen Salt Begriffe und Strategien der Vitalität, Kreativität und des Überlebens, die trotz ihres ephemeren und oft flüchtigen Charakters zu institutionellen Veränderungen führen können, wenn sie kreative Einrichtungen und die Gesellschaft insgesamt heimsuchen. Auch Fragen der School of Quilombismo werden behandelt, etwa, wie sich Menschen in ungerechten Räumen einen Lebensunterhalt und eine inklusive Zukunft schaffen können.

Dienstag, 29. August

19:00
Abendschule
Versammlung und Gespräch mit Ivanete da hora Sampaio & Serubiri Moses
Veranstaltungsort: EOTO (Each One Teach One)

Der globale Status des Englischen als lingua franca untergräbt die Lücken, das Schweigen und die komplizierten historischen Erzählungen über race, Gender, Klasse und Geografie. Global English ist ein Mythos in einer Welt, die viele Welten von Kreolisierung, Slangs und Lokalsprachen enthält. Sie verbiegen und verzerren das Englische, um für die Vorstellungswelten und Kulturen Raum zu schaffen, die diese Sprachenwelten bewohnen. Die Privilegien englischsprachiger Forschungen, Denkformen und Kulturproduktionen setzen sich trotzdem durch und verfestigen unnötige Spaltungen zwischen Schwarzen Menschen überall auf der Welt. In dieser Sitzung setzen wir uns diesem Widerspruch aus. Wie könnte eine Solidarität aussehen, die über Unterschiede, Geografien und Dialekte hinweg wirkt? Kann man sich verständigen, ohne sich völlig zu verstehen? Gemeinsam mit der Forscherin Ivanete da Hora Sampaio und dem Schriftsteller und Kurator Serubiri Moses führen wir diesen Austausch auf Deutsch und Englisch und schaffen Raum für andere Sprachen, Dialekte und Sinne, um gemeinsam über Sprachen, Übersetzungen, Schwarzsein und Solidarität zu sprechen.

Mittwoch, 30. August

19:00
Abendschule: Im Geist Beatriz Nascimentos
Vortrag und Gespräch mit Sandra Bello und Baba Murah
Veranstaltungsort: Forum Brasil

Die schwarze, migrantische Historikerin Beatriz Nascimento (1942-1995) war eine der führenden Intellektuellen Brasiliens, die grundlegende Beiträge zum Verständnis schwarzer Identität als Instrument einer rassischen, intellektuellen und existenzieller Selbstaffirmation geleistet hat. Nascimento erforschte die von ihr so genannten "alternativen, von Schwarzen organisierten Sozialsysteme" und ließ sich dabei stark von den Quilombos und Favelas in Brasilien inspirieren. In dieser Abendschule würdigen wir das Lebenswerk von Beatriz Nascimento und die Art, wie es die Arbeit und das Leben zweier einzigartiger zeitgenössischer Initiativen in Berlin geprägt hat, der QuilomboAllee und des Forum Brasil. Die Aktivistin und Organisatorin Sandra Bello und die Performance-Künstlerin und Choreografin Baba Murah Während erzählen im Rahmen dieser kritischen Würdigung von ihrer Arbeit, ihren Geschichten und ihren Erkenntnissen und Lehren.