In Anlehnung an die Tradition der Bwa-Kayiman-Zeremonie, die im Jahr 1791 stattfand und die Haitianische Revolution auslöste, werden das Sylvia Wynter Foyer im HKW und die Installation The Playground of All Possibilities durch performative Gesten aktiviert, in deren Mittelpunkt die Stimme als Werkzeug des Widerstands steht – die singende, die trauernde, die sprechende und die flüsternde Stimme. Inspiriert von den Traditionen kommunaler Versammlungsorte wie den senegalesischen Pencs, den kolumbianischen Mingas, den peruanischen Peñas, den haitianischen Lakous und anderen, widmet sich der Raum der Verbindung und Aktivierung historischer, kultureller, überlieferter und zeitgenössischer Narrative, die sich auf Erzählungen der Befreiung aus Haiti und verschiedenen anderen karibischen Geografien beziehen.

The Playground of All Possibilities (2024) des madagassischen Künstlers Joël Andrianomearisoa für Bwa Kayiman – Tout Moun se Moun bietet einen Raum der Aszendenz und Transzendenz, der Präsenz und der Unendlichkeit, des Prachtvollen und des Intimen. Er wird geschaffen von monumentalen, von der Decke hängenden Leinwänden, deren Form an die Gegenwart des Gespenstischen erinnert. Die Installation kann durch das Prisma des archipelagischen Denkens von Édouard Glissant gelesen werden, das ein Verständnis für die vielfältigen Aspekte der wechselseitigen Beziehungen zwischen menschlichen Inselbewohner*innen sowie den verschiedenen Überwesen, die sich ihrer annehmen, anregt. Die vom Künstler miteinander vereinten Archipele repräsentieren einzelne Landformen und verweisen ebenso auf alle Konstellationen von Boden, Wasser, menschlichen und nicht-menschlichen Wesen, die den Kosmos miteinander teilen.

Rasambleman, Sa Na Kenbe? Diese Kombination von dem haitianischen Kreol entlehnten Begriffen stellt eine Aufforderung dar, sich zu versammeln, miteinander zu verbinden, nachzudenken und einen Weg zu definieren, der gemeinsam beschritten werden kann. Sa Na Kenbe? oder „Was werden wir behalten?“ ist ebenso als Frage gemeint, wie es eine Bekräftigung der Notwendigkeit darstellt, zum Zwecke der Befreiung im haitianischen Kulturerbe zu wurzeln. Die einflussreichen haitianischen Musiker*innen Toto Bissainthe und Lakou Mizik haben ihre Stimmen für die Stimmlosen eingesetzt und dazu aufgerufen, Kräfte zu bündeln. Unter anderem dieser Appell hat die Sängerinnen Rachelle Jeanty und Riva Précil inspiriert, die ein Repertoire traditioneller haitianischer Lieder präsentieren, mit denen sie die Narrative von Haitis generationenübergreifender kultureller Revolution in die Gegenwart transportieren.

Der Choreograf Luis Garay präsentiert sein aktuelles Forschungsprojekt Zoundbi Touch, das von literarischen Bewegungen und Stilen der Karibik sowie von den Ideen des Spiralismus, der Quantenliteratur und des archipelagischen Denkens inspiriert ist, wie sie von karibischen Denkern wie Frankétienne, Wilson Harris und Édouard Glissant entworfen wurden. Begleitet von der Performance und den künstlerischen Beiträgen von Amina Szecsödy, Kelvin Kilonzo, Lukresia Quismundo und John Shades, erschafft Garay Stimmungslandschaften, die fragmentierte Territorien, Sagen, Gedichte und Geschichten der Karibik heraufbeschwören, in denen Sprechende und Zuhörende mit der Analyse und Interpretation, der Benennung und Nicht-Benennung beschäftigt sind und so im Umherirren Bedeutung erschaffen. ‚Die Karibik‘ ist nicht länger ein üppiges Fantasiereich oder ein Ort, zu dem eine Rückkehr möglich wäre. Vielmehr ist sie eine Art Horizont, der Werkzeuge für neue Weisen des Hörens, des Handelns und der Bezugnahme aufeinander bietet.