Elske Rosenfeld
In ihrer Praxis erkundet die Künstlerin, Autorin und Kulturarbeiterin Elske Rosenfeld die Geschichte der Dissidenz. Schwerpunkt ist Osteuropa, ein besonderer Fokus liegt auf den Ereignissen der Jahre 1989 und 1990. In ihrem Online-Offline-Langzeitforschungsprojekt A Vocabulary of Revolutionary Gestures versammelt Rosenfeld verkörperte Gesten, wie sie sich in historischen Momenten der Revolte und des politischen Umbruchs finden, und reflektiert über deren spezifische politische Formen und Inhalte. Die Künstlerin stellt die Vorstellung einer Linearität der Geschichte und stets fortschrittlicher Transformationen infrage. Dafür sammelt und betrachtet sie weltweit kreis- und spiralförmige Ästhetiken der politischen Teilhabe. Rosenfeld erkundet, wie die Geometrie politischer Zusammenkünfte – etwa die Art, wie sich Protestierende auf kreisförmigen Bahnen bewegen oder Diskussionen an den sogenannten Runden Tischen 1989/90 in der DDR abgelaufen sind – zu spezifischen politischen Formationen wie kollektiven und nicht-hierarchischen Handlungs- und Entscheidungsmustern führen. In ihrer Videoinstallation Noch eine Runde (2012/2022) im Rahmen der Umkreisen-Geste zeichnet Rosenfeld kontinuierlich Material von sich und einer Freundin auf, wie sie 2012 um den Tahrir-Platz in Kairo fahren, als die Protestwelle des Arabischen Frühlings bereits am Abflauen war. Ihre Kreisbahn um den Platz zeigt sie in ständiger Vorwärtsbewegung, doch wie die übrigen Demonstrierenden, deren Lager die Kamera einfängt, scheinen auch sie nicht in der Lage oder willens zu sein, diesen revolutionären Zeit-Raum hinter sich zu lassen.
Werk in der Ausstellung: Archive of Gestures: Circling (Another Round) / Umkreisen (Noch eine Runde) (2012/2022), Metallrahmen, Farbvideo mit Ton, ca. 9′. Courtesy VG Bild-Kunst, Bonn 2024, und Elske Rosenfeld