Zum Menü springen

O Quilombismo

Von Widerstand und Beharren. Von Flucht als Angriff. Von alternativen demokratisch-egalitären politischen Philosophien

Gruppenausstellung, Forschungsprojekt, Workshops, Performances, Publikation

2.6.–17.9.2023

O Quilombismo: Von Widerstand und Beharren. Von Flucht als Angriff. Von alternativen demokratisch-egalitären politischen Philosophien – Forschungsprojekt, Ausstellung, Workshops und Performancereihe – lädt Künstler*innen, Aktivist*innen, Wissenschaftler*innen und Menschen aus anderen Lebensbereichen dazu ein, auf der Basis verschiedener emanzipatorischer Initiativen in Vergangenheit und Gegenwart neue Formen des kulturellen und politischen Widerstands zu entwerfen. Die Ausstellung speist sich aus vielen Stimmen: aus den quilombos (in Brasilien), cumbes (in Venezuela), palenques (in Kuba und Kolumbien), cimarrones (in Mexiko) und maroons (in Jamaica und den USA) sowie aus weiteren emanzipatorischen Räumen auf der ganzen Welt. Unabhängig von der Größe dieser Räume haben Künstler*innen, Wissenschaftler*innen, Aktivist*innen, Geschichtenerzähler*innen und andere kreative Akteur*innen die kulturellen, politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Aufgaben der Befreiung und (Selbst-)Bestätigung in Bilder gefasst und in die Tat umgesetzt. Die Ausstellung bezieht sich auf quilombos als Metapher, befasst sich aber auch mit den intellektuellen und politischen Wirkungen einer Philosophie und Ideologie, die auf den quilombos beruht. Sie kartiert die sozialen Räume, die diese Orte ermöglicht haben – ob in früheren Zeiten, in geteilten Vorstellungswelten oder in unseren multiplen zeitgenössischen Existenzweisen.

Ausgangspunkt des Projekts ist die Philosophie des quilombismo, wie sie vom brasilianischen Künstler, Schriftsteller und Politiker Abdias Nascimento (1914–2011) entwickelt wurde. Er definierte die quilombos – Siedlungen, die von befreiten, der Versklavung entflohenen Menschen gegründet wurden – als Gesellschaften der „brüderlichen und freien Wiedervereinigung; der Solidarität, des Zusammenlebens und der existenziellen Gemeinschaft“. Die Tradition des quilombistischen Widerstands zieht sich seit Beginn des 16. Jahrhunderts durch die Amerikas, als versklavte afrikanische Gruppen sich der europäischen Kolonisierung und Unterdrückung verweigerten und neue Formen der Staatlichkeit und Organisierung schufen.

Zentral für die Ausstellung ist eine „Suche nach einem freien Raum, von wo aus die fortwährende Revolte gegen die kulturelle Kolonisierung zu führen ist“, um die Worte der Schriftstellerin und Philosophin Sylvia Wynter zu gebrauchen. Es handelt sich um einen Raum, der die Bühne bereitet für eine quilombistische, demokratische, egalitäre Erfahrung, die Rassifizierung, Klasse, Geschlecht, Religion, Politik, Gerechtigkeit, Bildung, Kultur – und alle weiteren Ausdrucksformen des Lebens in Gesellschaft – sowie unterschiedliche Ebenen der Macht in öffentlichen und privaten Institutionen berücksichtigt.

O Quilombismo verkörpert einen anti-imperialistischen Kampf, der sich an verschiedenen Strömungen der panafrikanischen Bewegung orientiert und für eine radikale Solidarität mit allen Menschen einsteht, die weltweit gegen Ausbeutung, Unterdrückung und Armut sowie gegen rassistisch, sexistisch, religiös oder ideologisch motivierte Ungleichheit kämpfen. Als Suche nach und als Erfahrung von Befreiung vom Kolonialismus sowie als eine solidarische Praxis mit dem Ziel wechselseitiger Emanzipation ist das quilombistische Projekt nicht von den fortwährenden Befreiungskämpfen Indigener Gesellschaften auf der ganzen Welt zu trennen.

Im HKW, einem Haus, das eine Kultur der Konvivialität und Gastfreundschaft pflegt, lebt und verbreitet, wird Quilombismo als eine Philosophie des Widerstands, der Beharrlichkeit und der Befreiung durch kollektives Handeln und Freude verstanden. Das setzt den Ton für ein Programm, das – getragen von Ansätzen, die bezaubern, beflügeln, begeistern – eine enthusiastische Atmosphäre schafft, geleitet von ethischen und egalitären Werten. Zonen der Auseinandersetzung steht die Möglichkeit gegenüber, sich zurückzuziehen, zu regenerieren, andere Strategien zu entwickeln und so die nötige Energie zu sammeln, um andere Zukunftsentwürfe zu skizzieren.

Das Projekt nimmt den eigenen Anspruch ernst, dass von den Quilombos und ähnlichen Orten viel zu lernen ist. So beharrt es darauf, dass Räume der Freiheit – und die Freiheit selbst – kontinuierlich gepflegt, neu geschaffen und konzipiert werden müssen. Ausstellung, Performances, Filmvorführungen, Konzerte, Storytelling-Begegnungen, Kochsessions, Vorträge sowie Forschungs- und Vermittlungsprogramme sind Praktiken, die das quilombistische Erbe der Solidarität und des Kampfes als lebendige Kultur weitertragen.

Das Projekt in und ums HKW-Gebäude bietet ein pluriversales und generationenübergreifendes Programm jenseits des Kanons der kolonialen Moderne. Es nährt sich aus Genealogien der Widerstandsbewegungen und aus künstlerischen Strategien der Selbstvergegenwärtigung, aus politischen Revolten, Widerstandsbewegungen und Befreiungskämpfen – und bildet so neue kulturelle Formen und ästhetische Paradigmen von Neugestaltung und Rückgewinnung, sowie des Queerings als Emanzipation.

O Quilombismo schlägt einen neuen Ton an, um Verbindungen und Bezüge herzustellen, die in den kommenden Jahren weitergeführt werden: Als Sommerschule bietet die Escola de Quilombismo (Schule des Quilombismo) ab 2023 einen alljährlichen Raum, um sich wiederzutreffen, Anregungen auszutauschen und gemeinsam zu feiern.