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Shaped to the Measure of the People’s Songs

Reflection in Numbers

2024

Reflection in Numbers (2024), Pavillon des britisch-nigerianischen Künstlers und Designers Yinka Ilori MBE.

Reflection in Numbers (2024), Pavillon des britisch-nigerianischen Künstlers und Designers Yinka Ilori MBE. Foto: Hannes Wiedemann

2023 begründete das Haus der Kulturen der Welt (HKW) eine neue Tradition: Jedes Jahr wird im Frühsommer vor dem Gebäude ein temporärer Pavillon errichtet. Das Architekturprojekt Shaped to the Measure of the People’s Songs wird 2024 mit einer baulichen künstlerischen Intervention im Rahmen von Ballett der Massen fortgesetzt: Der Entwurf für den diesjährigen Pavillon stammt vom britisch-nigerianischen Designer Yinka Ilori. Sein Raumkonzept wirft durch Materialität und Formgebung komplexe Fragen der Koexistenz auf. Iloris Werk geht von der Idee aus, dass „das Publikum für seine Handlungen verantwortlich gemacht werden muss“. Was bedeutet Verantwortlichkeit tatsächlich, für jedes Individuum? Und was für Formen können die Reaktionen darauf annehmen, zur Rechenschaft gezogen zu werden?

Iloris Pavillon steht neben seinem künstlerischen Ausdruck auch für eine kritische Auseinandersetzung mit Fragen zu Rassismus im Sport. Die architektonische Gestaltung fokussiert auf die Erfahrungen von Sportler*innen, die sich beim Fußball oder bei Sport im Allgemeinen ständig in der Schwebe zwischen einem Gefühl von Zugehörigkeit und der Angst vor radikaler Ausgrenzung befinden. So wirft der Pavillon die Frage auf, wie mit rassistischen und diskriminierenden Rufen umgegangen werden soll, die bei Fußballspielen allzu oft von den Rängen zu hören sind. Elemente wie die Spiegel im Inneren des Pavillons, auf die auch der Titel Reflection in Numbers verweist, dienen als Anstoß für Selbstreflexion und als Ermahnung an die Besucher*innen, sich die eigene Verantwortung für eine Kultur der Ausgrenzung vor Augen zu führen. Die runde, an ein Stadion erinnernde Struktur sorgt dafür, dass die Besucher*innen im Inneren des Pavillons stets von Spiegeln umgeben sind, egal wo genau sie stehen. Selbst wenn man sich allein im Pavillon befände, vermitteln die Spiegel das Gefühl, von einer Masse beobachtet zu werden, nämlich von einer Vervielfachung der eigenen Person. Mit dem Betreten des Raums erklären sich die Besucher*innen bereit dazu, eine ungewöhnliche Form des Selbstbewusstseins zu erleben.

Inspiriert von Indigenen Wissenssystemen westafrikanischer Gemeinschaften integriert Iloris Entwurf die Kalebasse als Vermittlungssymbol und ästhetische Metapher, die für einen Geist der Teilnahme und Geselligkeit steht. In Westafrika ist die Kalebasse allgegenwärtig und wird unter anderem als Resonanzkörper von Musikinstrumenten wie der Kora oder der Ngoni verwendet, aber auch als Utensil für religiöse Rituale sowie als Gefäß für Speisen und Getränke. Die materielle Präsenz der Kalebasse als Symbol der Inklusion ist für die thematische Gestaltung des Pavillons von zentraler Bedeutung. Sie sorgt für einen partizipativen Raum, der auf die Atmosphäre von Fußballspielen, auf deren Festlichkeit und Klangkulisse verweist. Die resonierenden, dämpfenden Eigenschaften der in die Struktur integrierten Kalebassen erinnern symbolisch an die Gesänge der Massen in Fußballstadien, verstärken sie und interpretieren sie neu.

Die Besucher*innen müssen nicht Zuschauende bleiben, sondern sind aufgefordert, aktiv zur multisensorischen Erfahrung beizutragen, die beim Ballett der Massen alle Anwesenden, das Haus und die gesamte Umgebung erfasst. Die Kalebassen-Instrumente im Pavillon, eine Sammlung von Kumbengo-Koras, laden das Publikum dazu ein, sich mit der künstlerischen Erzählung auseinanderzusetzen, indem sie Musik spielen und zu einer kollektiven Sinfonie beitragen.