Ein sich abzeichnendes Paradigma der Forschung zur Abfallwirtschaft beweist, dass Zyklen des Wegwerfens sowohl ein Akt der Welterschaffung als auch ein Akt der Zerstörung und des Zurückweisens von Verantwortung sein können. In dieser Keynote mit anschließendem Gespräch werden Textilien, Elektronik und Kunststoffe als Hauptakteure für die Produktion toxischer Abfälle und toxischer Beziehungen identifiziert. Die interdisziplinäre Forscherin Anwesha Borthakur gibt eine Einführung in die Bewirtschaftung von Elektronik- (E-Waste) und Textilabfällen in den so genannten Schwellenländern und konzentriert sich dabei insbesondere auf neuere Feldforschungen in Nordindien. Beide sind immer noch relativ unsichtbare, ignorierte und wenig untersuchte Abfallströme, nicht nur in diesen scheinbar nicht-hegemonialen Geographien. Der Vortrag nimmt Indien als Prisma, durch das aufstrebende Volkswirtschaften sowie die globalen Auswirkungen ihrer Abfallwirtschaft betrachtet werden können, und konzentriert sich auf praktische Erfahrungen mit den Herausforderungen und Möglichkeiten der Bewirtschaftung von Elektro- und Textilabfällen. Im abschließenden Teil kommt Borthakur mit den beiden Mentoren der Discarding-Phase, Josh Lepawsky und Leeroy New, ins Gespräch, die von ihren eigenen Erfahrungen mit Kunststoffen und Elektronik sowie dem Workshop in Berlin berichten.

Kann ein Blick vom anderen Ende der Verwertungskette, das oft der endgültige Bestimmungsort des neuesten Modeartikels oder nicht mehr benützten Computergeräts ist, die Perspektive auf geplante Obsoleszenz verändern? Wie lassen sich anhand von Abfall und der Ausrichtung der Materialströme globaler Abfallabkommen neokoloniale Beziehungsmuster begreifen? Wie verändern diese neuen Ökonomien diese Beziehungen angesichts des Gefälles der Abfallströme und des Verlangens nach superbilligen und schnellen Wegwerfartikeln, die nach Europa importiert werden – manchmal mit Schadstoffwerten, die die von der EU festgelegten Grenzwerte um das Hundertfache übersteigen?

Was wird nötig sein, um die daraus resultierende und immer weiter anwachsende Abfallberge zu bewältigen – und was könnte aus den Ruinen dieser Konsumkreisläufe entstehen?