Desintegration. Keine Juden* mehr für Deutsche!
Ein Abend in Gedenken an Y. Michal Bodemann
Gespräch
Th., 8.5.2025
19:00
Weltwirtschaft Restaurant
€5
Auf Deutsch, Simultanübersetzung ins Englische und in Deutsche Gebärdensprache (DGS)

Keine Juden* mehr für Deutsche! So lautete einer der Slogans des Desintegrationskongresses, der im Mai 2016 im Maxim Gorki Theater in Berlin stattfand. Die Initiator*innen stellten die Inszenierung der deutschen Wiedergutwerdung in der Erinnerungskultur infrage und wollten Juden*Jüdinnen einer Funktionalisierung entziehen. Der Aufruf zur Desintegration richtete sich an marginalisierte Gruppen der Gesellschaft, um sich von Fremdzuschreibungen und auferlegten Identitätskonstruktionen zu lösen und nach den Bedingungen und Möglichkeiten einer Selbstbestimmung zu fragen. Keine Juden* mehr für Deutsche! war das Motto einer neuen jüdischen Lebendigkeit und eines neuen Selbstbewusstseins im postnationalsozialistischen, postmigrantischen Deutschland.
Zehn Jahre nach dem Desintegrationskongress widmet sich der Abend diesem Ansatz erneut und fragt nach dem Stand der Dinge zwischen Antisemitismus und Selbstbestimmung: Gibt es einen gemeinsamen Nenner jüdischer Vielfalt? An welchen Orten organisiert sie sich? Was für eine Rolle spielt Intersektionalität bei der Diskussion um Diskriminierung und jüdische Lebendigkeit? Und wie kann Letztere sich jenseits des deutschen Gedächtnistheaters behaupten? Darüber diskutieren der Politikberater Benjamin Fischer, die Sozialpädagogin und Sozialwissenschaftlerin Anastassia Pletoukhina und Mirjam Wenzel, die Direktorin des Jüdischen Museums Frankfurt, mit den Gastgebern der Reihe Max Czollek und Ibou Diop.
Der Abend findet im Gedenken an Y. Michal Bodemann statt. Der Soziologe lieferte unter anderem mit Gedächtnistheater. Die jüdische Gemeinschaft und ihre deutsche Erfindung (1996) zentrale Impulse für das Konzept der Desintegration. 2025 erschien der von ihm herausgegebene Sammelband Die erfundene Gemeinschaft. Erinnerungspolitik, Staat und Judentum in Deutschland. Am 4. Januar 2025 ist Y. Michal Bodemann im Alter von 80 Jahren gestorben.