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Vergangenheit kennen, Gegenwart deuten, Zukunft gestalten

Hip-Hop – Schwarze Kultur in Deutschland

heimaten

Konzert, Workshop, Gespräch

13.–14.9.2024

BSMG im Juli 2024

BSMG im Juli 2024. Foto: Jonas Lumpe

BSMG, das Kollektiv der Schwarzen deutschen Hip-Hop-Künstler Megaloh, Ghanaian Stallion, Musa und Amewu, setzt sich im Rahmen eines Workshops, einer Paneldiskussion sowie eines Konzertabends intensiv mit der Geschichte, Soziopolitik und Kultur des Hip-Hop auseinander. Gemeinsam mit einer Reihe von Gästen – Afrob, Aisha Camara, Aisha Vibes, Albi X, Die P und Mortel – behandeln sie die Subkultur, die in den 1970er Jahren aus vielfältigen Einflüssen in der New Yorker Bronx entstand und mittlerweile die ganze Welt infiziert sowie die größten Musikmärkte erobert hat.

Die Entstehungsgeschichte von Hip-Hop lässt sich als Ausdruck der Freiheit und Selbstbestimmung einer über Jahrhunderte marginalisierten Menschengruppe betrachten, tief verwurzelt in der Schwarzen Bürgerrechtsbewegung der USA, vor dem Hintergrund jahrhundertelanger Versklavung sowie andauerender Diskriminierung und Gewalt. Wird diese Genese von Hip-Hop konfrontiert mit der überwiegend ‚weißen‘ deutschen Mehrheitsgesellschaft, die sich ihrer Kolonialverbrechen auf dem afrikanischen Kontinent und ihrer langen Migrationsgeschichte kaum bewusst ist, stellt sich unweigerlich die Frage, ob eine solche Kultur, importiert nach Deutschland, überhaupt dieselbe sein kann.

„Fremd im eigenen Land“ von Advanced Chemistry, veröffentlicht im Jahr 1992, gilt als die Geburtsstunde des deutschen Hip-Hop: ein Song, der sozialkritische Texte mit einem eindringlichen Beat verbindet und die Erfahrungen von Migrant*innen in Deutschland thematisiert. Torch, Linguist und Toni-L, die drei Rapper von Advanced Chemistry, haben haitianische, ghanaische und italienische Wurzeln. Doch die ersten Rapper, die in Deutschland kommerziellen Erfolg feiern, sind ‚weiße‘ Mittelstandskids aus Stuttgart. „Die da“ von Die Fantastischen Vier wird ein Radiohit und bringt deutschen Rap erstmals in die Charts. In der breiten Wahrnehmung ist diese Musik weit entfernt vom Leben marginalisierter und wirtschaftlich schlechter gestellter Minderheiten, die Hip-Hop als Ventil nutzen, um ihren Alltag zu dokumentieren und ihren Frust zu kanalisieren.

Brothers Keepers, eine im Jahr 2000 als Reaktion auf die Tötung von Alberto Adriano in Dessau gegründete Initiative Schwarzer Künstler*innen in Deutschland, prangert mit Musikveröffentlichungen, Konzerten und weiteren Aktionen anti-Schwarzen Rassismus an. Sie erlangt erstmals größere Aufmerksamkeit für Schwarze Protagonist*innen, stößt allerdings auch auf Ablehnung und Unverständnis in der breiten Gesellschaft. Erst durch die Veröffentlichungen des Plattenlabels Aggro Berlin Mitte der 2000er Jahre wird auch Straßen-Rap in Deutschland kommerziell erfolgreich. Seither sind vermehrt Protagonist*innen mit kurdischen, türkischen und arabischen Wurzeln im Deutsch-Rap präsent. Sie lassen ihr kulturelles Erbe sowie Geschichten von Migration und Marginalisierung in die Weiterentwicklung der Musik einfließen. Erfolgreiche Schwarze Künstler*innen, die in Ländern mit einer reichen Hip-Hop Kultur wie Frankreich oder England zentrale Protagonist*innen der Szene darstellen, sind im Deutsch-Rap eher die Ausnahme, auch wenn die Entwicklung der letzten Jahre in dieser Hinsicht vergleichsweise positiv erscheint, mit Künstlern wie Pajel, Luciano oder reezy.

Im Jahr 2017 befasst sich ein Kollektiv Schwarzer Künstler schließlich erstmals mit der Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte im Rap: Das Album Platz an der Sonne von BSMG ersetzt die ‚weiße‘, eurozentrische Deutungshoheit durch ein afrikanisch-diasporisches Narrativ. BSMG verstehen sich nicht als Protestbewegung, sondern als Zusammenschluss für Selbstdeutung und Selbstbestimmung, für eine Verbindung von (west)afrikanischen Wurzeln mit dem Umfeld in Deutschland, für die eigene Verortung zwischen den Kontinenten Afrika, Europa, Amerika und die damit verbundene Identitätsfindung, gepaart mit einem kritischen Bewusstsein und einer fundierten Auseinandersetzung mit der Kolonialgeschichte.

Platz an der Sonne mit seiner bisher einzigartigen Perspektive – einer afrozentrischen Betrachtung der kolonialen Entwicklung aus der deutschen Musikszene heraus – bildet die Grundlage für Vergangenheit kennen, Gegenwart deuten, Zukunft gestalten. Hip-Hop – Schwarze Kultur in Deutschland, eine Veranstaltung im Rahmen der Eröffnung der Ausstellung Forgive Us Our Trespasses / Vergib uns unsere Schuld, für die maßgebliche Protagonist*innen aus der deutschen Hip-Hop-Geschichte zusammenkommen, um sich auszutauschen, ihre Einsichten und Erfahrungen zu teilen und diese besondere Musikkultur gemeinsam zu feiern.