What Cannot Be Summed Up With A Pen
29. & 30.7.2023
What Cannot Be Summed Up With A Pen ist ein zweitägiges Programm aus Workshops, die die Welt des Quilombismo durch die Macht der Poesie erkunden und das (Ver-)Lernen, Zusammenkommen und Verändern erproben. Poesie, mündliche Literatur und gemeinschaftliches Erinnern sind die leitenden Kräfte des Programms. Es untersucht ihre Auswirkungen auf unser Selbstverständnis, ihre gemeinsamen Strategien und die zwischen ihnen bestehenden Verbindungslinien.
Jede Sprache ist in ihrem Ursprung eine kreolische Sprache.
Édouard Glissant
Feierlich eröffnet wird das Symposium mit einem Workshop, der zugleich den Auftakt des International Creole Lab bildet, geleitet vom brasilianischen Künstler Diego Araúja. Dieses experimentelle Labor möchte eine Sprache entwickeln, die über die Grenzen von Trauma und Gewalt hinausweist. Diese neue kreolische Sprache, geschaffen in einer kreolischen (kreativen) Zeitlichkeit, soll in ihrer poetischen Verfasstheit Traumata bewältigen.
if the pot isn't placed on the fire
the dish cannot be cooked
so how will it ever satisfy?
Consider this in light of our goal:
where does deep hurt lie
but in our backbone—
time to treat that injury!—Hadrawi, „Settling the Somali Language“
[sinngemäße deutsche Übersetzung: wird der Topf nicht über dem Feuer platziert / kann das Gericht nicht gekocht werden / wie soll es dann erfüllen? Betrachten wir das im Lichte unseres Ziels: / Wo liegt tiefer Schmerz / wenn nicht in unserem Rückgrat – / Es ist an der Zeit, diese Verletzung zu behandeln!]
Mit der imperialen und kolonialen Neuziehung geografischer und politischer Grenzen sowie der Umgestaltung von Wissen und Raum zwang Europa der globalen Mehrheit der Menschen neue Formen der zeitlichen und räumlichen Verdrängung auf. Angesichts dieser Enteignung sollen die Zusammenkünfte im Rahmen dieses Programms Konzepte wie Oqaal fruchtbar machen, das für das innere Wissen jenseits der eigenen Persönlichkeit steht. Wie können wir Verflechtungen wahrnehmen? Kann das rhythmische Verknoten und Verweben entlang der Kadenz eines Gedichts den sozialen Impuls der Sprache aufsteigen lassen? Wie verkörpert Erinnerung eine Form des historischen Sehens? In dieser lebendigen Zusammenkunft dient die Improvisation als Mittel zum Zurückblicken in der Vorwärtsbewegung, was an die Prinzipien von Sankofa und Ilhan erinnert.
What Cannot Be Summed Up With A Pen geht weiter mit einer Qaraami-Session von Numbi Arts, in der Metaphern, Klänge, Geister, Erzählungen und verkörperte Archive heraufbeschworen werden. Das Format des Symposiums soll ermöglichen, in ein Verständnis von Poesie als Orientierungshilfe einzutauchen, mit der die Welt des Quilombismo und ihre Verbindung mit dringenden Fragen in diversen Schwarzen Welten und diasporischen Existenzen kartiert und neu vermessen werden können. Das ostafrikanische Konzept Qaraami, das dem Blues ähnelt, ist zentral für diese Erkundung. Es vereint Schwierigkeiten und freudvolle Strategien des Seins und Werdens.
Die zwei Studientage ermöglichen eine pädagogische Lernsituation, die die einfache Überzeugung verstärkt, dass befreiende Ideen Zeit, Raum und Pflege brauchen, um sich zu entfalten. Dieser zweite Durchlauf der School of Quilombismo lässt Poesie in ihren akustischen und musikalischen Ausformungen widerhallen. Auf der Webseite des HKW wird ein besonderes Programm des Forest Radio ausgestrahlt, einem Community-Radio vom Amazonas, das ein Sprachrohr für lokale Subjekte sein will und sie zu Protagonist*innen in einer Situation machen soll, die ihre Existenz missachtet. So trägt das Projekt durch gesellschaftlichen Ausdruck zum Bewusstsein für eine mögliche (politische) Autonomie bei.
Ansatz
Jede gemeinschaftliche Zusammenkunft trägt sich weiter und prägt die nächste. Mit der Zeit entstehen so Räume des (Ver)Lernens, die in verschiedenen nicht-institutionellen und öffentlichen Orten in ganz Berlin auftauchen (und wieder verschwinden). Das Programm findet in Community-Räumen, öffentlichen Gärten und sozialen Initiativen jenseits der HKW-Umgebung statt und nutzt informelle Strukturen, um andere Weisen des (Ver)Lernens, Veränderns und Teilens pädagogischer Fähigkeiten in den Vordergrund zu rücken. Anders gesagt, die School of Quilombismo lädt Beitragende dazu ein, sich von hierarchischen Formaten zu verabschieden, wie sie bei vielen Kunst-Symposien, im akademischen Bereich und bei Kulturveranstaltungen vorherrschen. Stattdessen wird das Publikum hier zum Gesprächspartner auf Augenhöhe.
Programmübersicht
Sa., 29.07 10:00–13:00 & So., 30.07 10:00–13:00
1. Akt: International Creole Lab
Workshop mit Diego Araúja
Sa., 29.07 14:00–18:00
2. Akt: Ilhan and Oqaal—Textile as Language
Workshop mit Kinsi Abdulleh, Elmi Original (DJ Elmi)
So., 30.07 18:00
3. Akt: Forest Radio
Online-Radioshow mit Rádio Floresta [Forest Radio]
So., 30.07 20:00–22:00
Akt 4: Abendschule
Listening Session mit Julianknxx
Die Workshops befassen sich vornehmlich mit den Erfahrungen Schwarzer Kulturarbeiter*innen, stehen aber allen Interessierten offen. Die Teilnahme ist begrenzt, bitte melden Sie sich an unter: education@hkw.de
Mit Beiträgen von:
Kinsi Abdulleh, Diego Araúja, Each One Teach One, Rahma Hassan, Julianknxx, Numbi Arts, Jess Oliveira, Elmi Original, Rádio Floresta